FDP-Parlamentarier dürfen SBI-Podiumsdiskussionen nicht mehr ausschlagen
Das späte Erwachen der SVP-Gegner

Die SVP-Initiative findet Anklang, weit über die Grenzen der Partei hinaus. Namentlich die FDP ist alarmiert und beordert ihre Leute auf die Podien.
Publiziert: 11.11.2018 um 14:41 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2018 um 09:30 Uhr
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FDP-Präsidentin Petra Gössi läutet den Endspurt im Abstimmungskampf ein.
Foto: Anja Wurm
Simon Marti und Marcel Odermatt

Laut ist sie nicht, die Kampagne der SVP. Statt roter Ratten, schwarzer Schafe oder bedrohlicher Minarette setzt die Rechtspartei im Abstimmungskampf um die Selbstbestimmungs-Initiative auf leise Töne. Mit Erfolg. Die Vorlage, lange als Liebhaberei von Nationalrat und Jus-Professor Hans-Ueli Vogt (48, ZH) abgetan, verfängt gerade im bürgerlichen Milieu. Und hier fällt die Entscheidung: Mitten durch den Freisinn verläuft der Riss, welcher Befürworter und Gegner trennt. Mehr als ein Drittel der FDP-Sympathisanten gaben bei einer Tamedia-Umfrage an, die Initiative zu unterstützen. Eine Mehrheit der Bevölkerung will derzeit zwar laut letzten Erhebungen ein Nein einlegen. Das Ja-Lager liegt aber bei deutlich über 40 Prozent – und wird nicht schwächer.

Zahlen, die den Freisinn in Alarmstimmung versetzen. Die Initiative sei schädlich für die Schweiz, nur sei es «äusserst anspruchsvoll», diese Botschaft im Stimmvolk zu verankern, sagt FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (55, ZH). «Der Ausgang der Abstimmung steht auf Messers Schneide.» In der Bevölkerung, stellt der Zürcher fest, herrsche derzeit «viel Unmut gegenüber unseren Insti­tutionen». Da sei vieles zusammengekommen. «Die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative, die Propaganda gegen ein allfälliges EU-Rahmenabkommen, die Diskussion über den Migrationspakt – das spielt der SVP nun leider ungerechtfertigter Weise in die Hände.» Es scheint möglich, dass dieser so sicher geglaubte Urnengang für die Allianz von SP bis FDP zum Debakel geraten könnte.

Die SVP verspürt Rückenwind

Auch nach Einschätzung von FDP-Präsidentin Petra Gössi (42, SZ) steht der Ausgang auf der Kippe. Es seien immer noch zwei Szenarien denkbar: «Ein Ausgang wie bei der Durchsetzungs- oder ein Ergebnis wie bei der Masseneinwanderungs-Initiative.» Bei der ersten Vorlage errang eine vereinte Front von Parteien und Organisationen einen deutlichen Abwehrerfolg gegen die Rechte. Bei der zweiten erlitt dieselbe Phalanx spektakulär Schiffbruch.

Die SVP verspürt Rückenwind. Sie überzieht in diesen letzten, entscheidenden 
Tagen vor dem Abstimmungssonntag das Land mit Veranstaltungen. An die Parlamentarier der FDP ist aus der Zentrale nun die Weisung ergangen, keine Einladung zu 
einem öffentlichen Podium auszuschlagen. Denn duelliert sich stattdessen ein SPler mit der SVP, ist die Chance gering, unentschlossene Bürgerliche ins Nein-Lager zu ziehen, rechnet die Parteileitung.

«Mobilisierung der eigenen Basis»

«Der SVP ist es gelungen, die Diskussion umzudrehen», fasst Gössi die Stimmung zusammen. «Die Initianten erklären: ‹Stimmt Ja, sonst kommt der Unrechtsstaat.› Diese Geschichte aber hat mit dem Inhalt der Vorlage nichts zu tun.» Bei einer Ablehnung würde sich an der heutigen Situation nichts 
ändern. Eine Annahme hingegen gefährde das bewährte Modell der Schweiz akut, warnt die Schwyzerin.

«Statt dass wir darüber sprechen, wie gut der Status quo für die Schweiz funktioniert, müssen wir uns gegen dieses Argument wehren. Das ist schwierig», folgert sie. Juristische oder technische Diskussionen, welche die drastischen Folgen einer Annahme aufzeigen, hätten es dagegen schwer, ein Publikum zu finden, so Gössi. «Für die FDP gibt es jetzt nur eins: die Mobilisierung der eigenen Basis.» Sie wird in den nächsten Tagen allen Parteimitgliedern ein persönliches 
E-Mail schreiben. Darin will sie aufzeigen, «dass die Initiative kein Problem löst, sondern nur neue schafft, die Rechtssicherheit zum Beispiel». Zwei Wochen vor dem Showdown leistet die FDP noch Überzeugungsarbeit an der eigenen Basis.

Operation Libero verstärkt in der Schlussphase Anstrengungen

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Nur: Die grösste Brache liegt auf Seiten der Befürworter, wie Laura Zimmermann (26), Co-Präsidentin der Operation Libero, mit Sorge beobachtet. «Die Erhebungen zeigen, dass die SVP in ihrer Anhängerschaft ein grösseres Mobilisierungspotenzial hat als das Nein-Lager.» Dabei seien die Gegner der Initia­tive, all die Parteien und Organisationen, eigentlich viel zahlreicher. Und so verstärkt auch die Operation Libero in der Schlussphase nochmals ihre Anstrengungen. Zusätzliche Plakate werden geklebt, in ausgewählten Ortschaften werden Aktivisten von Tür zu Tür ziehen und die Bevölkerung direkt ansprechen. «Klinken putzen» wollen Zimmermann und Co. Einen Kampf um jede Stimme. Gegen Mittag am 25. November wird sich zeigen, ob dieser letzte Effort nicht zu spät 
gekommen ist.

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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