Als Finanzministerin hat Eveline Widmer-Schlumpf (60) die Unternehmensreform III (USR III) aufgegleist, doch mit dem Endergebnis ist die alt Bundesrätin alles andere als zufrieden. «Es gibt ein paar Punkte, welche die Reform aus der Balance gebracht haben», kritisiert sie im BLICK-Interview. Und sie macht klar: «Die Ausfälle werden höher sein als wir es bei unserer Vorlage berechnet haben.»
Mit ihrer Kritik fährt Widmer-Schlumpf den bürgerlichen Parteien in die Parade, die geschlossen für die USR III kämpfen. Kein Wunder also, sind deren Chefs nicht gerade erfreut über die Intervention der alt BDP-Bundesrätin.
«Ich finde es bemerkenswert, dass sie ihrer eigenen Partei in den Rücken fällt, welche die Vorlage unterstützt», lästert CVP-Chef Gerhard Pfister. Er betont, dass sämtliche kantonalen Finanzdirektoren der Vorlage zugestimmt hätten. «Das ist ein deutliches Zeichen, dass sie ausbalanciert ist.»
FDP-Gössi betont Geschlossenheit der Kantone
Auch FDP-Chefin Petra Gössi verweist darauf, dass die Kantone geschlossen hinter der Reform stünden – und sie mag sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: «Diese Geschlossenheit war beim Vorschlag von alt Bundesrätin Widmer-Schlumpf noch nicht der Fall.»
Die von Widmer-Schlumpf kritisierte zinsbereinigte Gewinnsteuer verteidigt Gössi: «Unternehmen, die ein höheres Eigenkapital haben, werden eher investieren. Davon werden die Arbeitnehmer und der Werkplatz Schweiz profitieren.»
Und die Kantone könnten auch die Dividenden-Teilbesteuerung nach ihrem Gusto erhöhen. «Die Waadt beispielsweise besteuert heute schon zu 70 Prozent. Dies liegt in ihrem Ermessen, das ist genau der Vorteil dieser Reform.»
BDP-Landolt verteidigt «bürgerlichen Kompromiss»
BDP-Präsident Martin Landolt reagiert gelassen auf die Aussagen seiner Ex-Bundesrätin: «Klar hätte sie lieber ihre eigene Vorlage vor dem Volk gehabt als die Parlamentsvorlage. Es ist aber müssig, einer alten Vorlage nachzutrauern», sagt er. «Wir haben nun einen bürgerlichen Kompromiss mit den Kantonen, bei dem sich alle bewegt haben.»
Widmer-Schlumpf habe schon an der BDP-Delegiertenversammlung die Vor- und Nachteile der Reform aufgezeigt – ohne diese zu werten. So hat die BDP denn auch deutlich die Ja-Parole gefasst.
Widmer-Schlumpfs Aussagen will Landolt nicht als Distanzierung verstanden wissen. «Sie hat ja ebenfalls betont, dass die Notwendigkeit einer Reform unbestritten ist. Am schlimmsten und teuersten wäre keine Vorlage.»
SP-Levrat sieht sich bestätigt
Freude herrscht derweil bei der Linken, die das Referendum gegen die USR III ergriffen hat. «Eveline Widmer-Schlumpf bestätigt, was wir seit Monaten sagen: Das Parlament hat die Vorlage des Bundesrats komplett ruiniert», sagt SP-Chef Christian Levrat.
Er schlägt in die gleiche Kerbe wie die BDP-Frau: «Die USR III ist aus dem Gleichgewicht – Konzerne profitieren, wir bezahlen.» Widmer-Schlumpf bemängle zu Recht, dass jegliche Gegenfinanzierung fehle und die Ausfälle in die Milliarden gehen könnten.
«Es drohen rote Zahlen und Steuererhöhungen für den Mittelstand», warnt Levrat. «Das kann einer bürgerlichen Finanzpolitikerin nicht gefallen, die Kritik von Widmer-Schlumpf ist also nur konsequent.»
Grünen-Rytz glaubt, dass Vorlage kippt
Niemand kenne die Steuerreform besser als die frühere Finanzministerin, sagt Grünen-Chefin Regula Rytz. «Wenn sie heute nicht mehr dahinterstehen kann, ist das ein klares Zeichen für ein Nein.»
Dank Widmer-Schlumpf sei nun auch für die Mittewähler klar, dass diese Steuerreform gefährlich sei für unser Land. «Sie wird die privaten Haushalte massiv belasten und Löcher in den öffentlichen Haushalt reissen.»
Rytz glaubt sogar, dass Widmer-Schlumpfs Intervention «die USR III definitiv zum Kippen bringt». Ob es tatsächlich so weit kommt, entscheidet das Stimmvolk am 12. Februar.