Gesamthaft betrachtet, hat der Ständerat in den dreitägigen Beratungen die Energiestrategie verwässert. Dass keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden sollen, ist nicht mehr umstritten. Wie lange die heutigen AKWs laufen, bleibt aber offen.
Der Nationalrat hatte sich dafür ausgesprochen, die Laufzeit der ältesten AKWs auf sechzig Jahre zu beschränken. Beznau I müsste damit im Jahr 2029 vom Netz gehen, Beznau II im Jahr 2031. Ab vierzig Jahren sollen AKW-Betreiber nach dem Willen des Nationalrates zudem ein Betriebskonzept für die jeweils nächsten zehn Jahre vorlegen müssen.
Die Atomaufsichtsbehörde ENSI hatte eine gesetzliche Grundlage für solche Langzeitbetriebskonzepte gewünscht. Im Ständerat setzte sich die Idee aber nicht durch. Der Rat sprach sich mit 25 zu 20 Stimmen dagegen aus. Eine Begrenzung der Laufzeit lehnte er mit 25 zu 15 Stimmen bei einer Enthaltung ab.
Die Mehrheit befand, die geltenden Regeln genügten, um den sicheren Betrieb der Atomkraftwerke zu gewährleisten. Das Langzeitbetriebskonzept bringe keine Verbesserungen. Es würde im Gegenteil zu einer Rechts- und Investitionsunsicherheit führen und könnte damit der Sicherheit abträglich sein. Befürchtet werden auch Entschädigungsforderungen der AKW-Betreiber.
Zu den Gegnern neuer Regeln gehörte Roland Eberle (SVP/TG), Verwaltungsrat des Energiekonzerns Axpo, der das AKW Beznau betreibt. Mit einer befristeten Bewilligung würden die Anreize für die Betreiber sinken, in die Sicherheit zu investieren, gab er zu bedenken. Die Spielregeln sollten nicht während des Spiels geändert werden.
Die Befürworter warnten vor den Gefahren, die von alternden Atomkraftwerken ausgehen. Man dürfe AKWs nicht «verlottern lassen», sagte Verena Diener (GLP/ZH). Die Ratsmitglieder erinnerte sie daran, dass sie geschworen hätten, sich zum Wohl der Bevölkerung einzusetzen, nicht zum Wohl der AKWs. Im Rat sorgte das für Empörung.
Weniger emotional verlief die Debatte zu Massnahmen für mehr Energieeffizienz. Der Ständerat sagte dazu aber ebenfalls Nein: Er will keine Anreize für Elektrizitätswerke schaffen, das Stromsparen zu fördern. Der Bundesrat schlug vor, die Stromlieferanten mit Vorgaben zu verpflichten, von Jahr zu Jahr weniger Strom zu verkaufen. Wer das Ziel übertrifft, könnte Zertifikate verkaufen. Wer es nicht erreicht, müsste Zertifikate kaufen.
Der Nationalrat war mit der Stossrichtung einverstanden, stimmte aber einem anderen Modell zu. Er setzte auf ein Bonus-Malus-System. Elektrizitätswerke, die ein Netz betreiben, sollen eine Zielvorgabe erhalten. Wer das Ziel übertrifft, würde einen Bonus erhalten, der aus dem Netzzuschlag zu bezahlen wäre. Wer das Ziel verfehlt, müsste einen Malus entrichten.
Dem Ständerat lag ein abgeschwächtes Modell der Bundesratsvariante vor. Er sprach sich jedoch mit 23 zu 21 Stimmen dagegen aus und beschloss, die Bestimmungen ersatzlos zu streichen.
Die Befürworter argumentierten vergeblich, Effizienzmassnahmen seien für die Energiewende absolut zentral, die eingesparte Energie sei die sauberste und billigste. Die Gegner warnten vor hohem bürokratischem Aufwand. Der Ständerat lehnte auch Regeln für Heizungen ab, die der Nationalrat eingefügt hatte.
Nein sagte die kleine Kammer schliesslich zu einer «Dreckstromabgabe». Dieser Entscheid fiel mit 27 zu 16 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Eine Abgabe auf Strom, der nicht nachweislich CO2-frei produziert ist, hatte die vorberatende Kommission vorgeschlagen. Das Ziel war es, den Import von Kohlestrom zu verteuern und so die einheimische Wasserkraft zu stützen.
Im Rat überwogen aber die Zweifel. Die Gegner warnten vor grossem bürokratischem Aufwand und Schaden für die Industrie. Dass der Rat am Vortag bereits Massnahmen zur Unterstützung der Wasserkraft beschlossen hatte, trug ebenfalls zum Nein bei.
In anderen Punkten ist der Ständerat dem Nationalrat gefolgt. So wird im Gesetz keine höhere CO2-Abgabe verankert, wie der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Der Bundesrat behält jedoch die Kompetenz, die Abgabe zu erhöhen.
Mit einem Teil der Mittel aus der CO2-Abgabe werden Gebäudesanierungen finanziert. Heute dürfen höchstens 300 Millionen Franken dafür eingesetzt werden, künftig sollen es 450 Millionen Franken sein. Ja sagte der Ständerat ferner zu umweltfreundlicheren Autos: Die Vorgaben für Autoimporteure sollen verschärft werden.
Am Vortag hatte der Ständerat sich mit der Förderung der erneuerbaren Energien befasst. Er stimmte der Erhöhung des Netzzuschlags für die kostendeckende Einspeisevergütung auf 2,3 Rappen zu.
Grosszügig zeigte er sich bei der Wasserkraft: Der Ständerat will nicht nur den Bau neuer Werke fördern, sondern auch bestehende Grosswasserkraftwerke unterstützen, die in einer finanziellen Notlage sind. Dafür will er 0,2 Rappen aus dem Netzzuschlag reservieren.
Auf der anderen Seite will der Ständerat die Förderung von erneuerbaren Energien zeitlich befristen, mit der sogenannten Sunset-Klausel: Ab dem sechsten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes sollen keine neuen Anlagen mehr ins Fördersystem aufgenommen werden, und ab 2031 sollen auch Einmalvergütungen und Investitionsbeiträge gestoppt werden.
Chancenlos blieben jene, die einen «Marschhalt» bei der Energiestrategie forderten. Zur Energiewende gebe es keine Alternative, lautete der Tenor. In der Gesamtabstimmung hiess der Ständerat die Vorlage mit 27 zu 4 Stimmen bei 8 Enthaltungen gut. Die Vorlage geht nun zurück an den Nationalrat.
Mit der Frage, wie lange AKWs laufen dürfen, wird sich voraussichtlich auch das Stimmvolk befassen. Die Grünen fordern mit ihrer Atomausstiegsinitiative, dass die Laufzeit für alle AKWs auf 45 Jahre begrenzt wird. Beznau I müsste ein Jahr nach Annahme der Initiative vom Netz gehen.
Geht es nach dem Willen des Bundesrates und des Ständerates, sind die Gesetzesänderungen ein indirekter Gegenvorschlag dazu. Die Referendumsfrist würde damit erst nach der Abstimmung über die Initiative zu laufen beginnen. Der Nationalrat möchte diese Kopplung aufheben.