Am Ende beschloss der Rat ohne Abstimmung, auf das Geschäft nicht einzutreten. Er folgte damit der vorberatenden Kommission. Zwar lehnen keineswegs alle Parteien ein Lenkungssystem grundsätzlich ab. Die Befürworter halten aber einen Verfassungsartikel für unnötig - oder die vorgeschlagenen Instrumente für unzureichend.
Dass dem Entscheid eine lange und emotionale Debatte vorausging, hat vor allem mit der bevorstehenden Volksabstimmung zur Energiestrategie zu tun. Das Klima- und Energielenkungssystem (KELS) war als zweite Etappe der Energiestrategie 2050 gedacht.
Über die erste Etappe wird am 21. Mai abgestimmt. Diese beinhaltet unter anderem eine stärkere Förderung erneuerbarer Energien, die aber zeitlich befristet ist. Darin verankert sind auch Richtwerte für die Senkung des Energie- und Stromverbrauchs. Der Energieverbrauch pro Person und Jahr soll bis 2035 um 43 Prozent sinken, gemessen am Stand des Jahres 2000.
Ab 2021 möchte der Bundesrat das Fördersystem durch ein Lenkungssystem ablösen. Die damalige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf präsentierte im Herbst 2015 eine Verfassungsänderung, die den Grundsatz regeln würde.
Mit dem Nein zum KELS stellt sich nun die Frage, wie die im ersten Massnahmenpaket verankerten Richtwerte erreicht werden sollen. Das hoben im Rat die Vertreterinnen und Vertreter der SVP hervor, die das Referendum gegen das erste Massnahmenpaket ergriffen hat. Sie sehen darin ein Argument gegen die gesamte Energiestrategie. Nun sei klar, dass die Ziele nicht erreicht werden könnten.
Die Redner der anderen Fraktionen widersprachen: Um ein zweites Massnahmenpaket zu schnüren, brauche es keine neue Verfassungsbestimmung. Zwar werde nun schon landauf, landab geschrieben, die Ziele der Energiestrategie seien ohne das KELS nicht zu erreichen, sagte Eric Nussbaumer (SP/BL). Das treffe aber nicht zu. Es stimme auch nicht, dass das Parlament von Lenkungsabgaben nichts wissen wolle.
Die Schweiz habe nämlich schon heute eine Klimalenkungsabgabe: die CO2-Abgabe. Dieses bewährte Instrument könne und müsse nach 2020 weitergeführt werden, sagte Nussbaumer. Die Verfassungsgrundlage dafür sei vorhanden. Die SP habe sich stets dafür eingesetzt, dass die Abgabe auch auf Treibstoffen erhoben werde. Ausserdem könne die Förderung der erneuerbaren Energien fortgesetzt werden. Die Grünen sprachen sich ebenfalls für eine Weiterentwicklung der bisherigen Massnahmen aus.
Für die GLP wäre ein Lenkungssystem die beste Lösung, wie Martin Bäumle (ZH) ausführte. Die schrittweise Einführung eines solchen Systems sei aber ohne Verfassungsänderung möglich, sagte er. Die Sprecher der CVP und der BDP plädierten allgemein für ein zweites Massnahmenpaket zur Energiestrategie.
Die FDP dagegen hält ein zweites Paket für unnötig, wie Fraktionssprecher Peter Schilliger (FDP/LU) sagte. Allerdings sei im Zusammenhang mit den Klimazielen auch eine Revision des CO2-Gesetzes geplant, gab er zu bedenken. Diese könnte man als zweites Massnahmenpaket sehen. Nicht in Frage komme für die FDP aber eine CO2-Abgabe auf Treibstoffen.
Hansjörg Knecht (SVP/AG) warf den Befürwortern den Energiestrategie vor, kurz vor der Volksabstimmung aus Angst zurückzukrebsen. Die SVP sei zwar froh, dass die anderen dabei helfen würden, das KELS schicklich zu beerdigen. Sie finde es aber «etwas verlogen». Die Befürworter wüssten ganz genau, dass die Ziele nur mit weiteren teuren Massnahmen zu erreichen seien.
Das stritten die Befürworter ab. Sie wiesen darauf hin, dass bei Lenkungsabgaben das Geld zurückerstattet werde. Zudem fragten sie Knecht, wie er denn den Atomstrom ersetzen wolle, wenn die AKW altersbedingt vom Netz gingen. Neue AKW seien ja auch aus wirtschaftlichen Gründen keine Option.
Hans Grunder (BDP/BE) und Bastien Girod (Grüne/ZH) drehten den Spiess ganz um: Nach dem Nein zum KELS könne die SVP im Abstimmungskampf zum ersten Massnahmenpaket nun nicht mehr vor horrenden Kosten im Zusammenhang mit der zweiten Etappe warnen.
Er verstehe, dass die SVP-Vertreter so viele Frage stellten, sie seien nun etwas verzweifelt, sagte Girod. Magdalena Martullo (SVP/GR) hatte mehrere Redner gefragt, wie sie den Energieverbrauch um über 40 Prozent reduzieren wollten.
Finanzminister Ueli Maurer stellte am Ende der Debatte fest: «Heute wissen wir, was wir nicht wollen. Wir wissen aber noch nicht, was wir wollen.» Die Ziele widersprächen sich teilweise. Man wolle eine sichere, günstige und zugleich umweltfreundliche Energieversorgung.
Der Bundesrat habe mit der Verfassungsgrundlage dem Volk die Möglichkeit geben wollen, eine Weichenstellung vorzunehmen, erklärte Maurer. Nun sei aber klar, dass es andere Lösungen brauche. Der SVP-Bundesrat rief die Parteien dazu auf, sich nicht in Ideologien zu verstricken, sondern pragmatische Lösungen zu suchen.
Bevor das KELS ganz vom Tisch ist, muss noch der Ständerat darüber befinden.