Gestern Samstag in Appenzell. Albert Rösti (49) ruft in die Menge: «Wir stehen unter Strom!» Der vieldeutige Kampfruf soll den «Froue und Manne» nach einer Reihe verlorener Partien wieder Mut machen. Zum Auftakt der Abstimmungsschlacht will der SVP-Präsident die Parteibasis auf den Kampf gegen die Energiestrategie des Bundes einschwören. Anlässe wie dieses Heimspiel mit fast «einstimmiger Unterstützung» seien sehr motivierend, meint er.
Im April geht Röstis erstes Jahr als Präsident der SVP zur Neige. Es endet wie es begonnen hat: mit einer Niederlage. Im Sommer 2016 scheiterte er an seiner ersten selbst erklärten Bewährungsprobe, als die Stimmbevölkerung zur Asylgesetzrevision klar Ja sagte.
Grundlegende Probleme der SVP
Und vor einer Woche schaffte es erst eine Allianz aus SP und CVP, die Altersreform 2020 durchs Parlament zu schaukeln. Dann verpasste Oskar Freysinger (56) spektakulär die Wiederwahl in den Walliser Staatsrat. Zwei Ereignisse, die grundlegende Schwierigkeiten der SVP sichtbar machen.
Zum einen zeigt die Altersreform, dass es der Rechten trotz des Triumphs bei den Wahlen 2015 oft nicht gelingt, ihre Mehrheit in zählbare Ergebnisse unter der Bundeskuppel umzumünzen: «Ich hatte und habe schon Erwartungen an die bürgerlichen Partner», so Rösti, aber es sei bisher nicht gelungen, ein stabiles Bündnis zu schmieden. CVP und FDP legten sich abwechselnd mit der Linken ins Bett – so habe weder die Masseneinwanderungs-Initiative umgesetzt noch die Altersreform verhindert werden können.
Schwerer Stand in der Romandie
Zum andern wirft der tiefe Fall Freysingers ein grelles Licht auf den unverändert schweren Stand der Rechtspartei in der Romandie: «Die Herausforderung in der Westschweiz ist sicher grösser, als ich sie vor einem Jahr eingeschätzt habe», räumt der Berner Oberländer ein. Die Personaldecke der SVP in diesem Landesteil sei dünner als in der Deutschschweiz.
Mit deutlichen Worten kritisiert der Parteichef zudem die Mobilisierung bei den kantonalen Wahlen in Solothurn, Basel-Stadt, Freiburg und eben im Wallis als ungenügend. «Die Form der SVP spüre ich in der Tendenz negativ, das müssen wir korrigieren.»
Das wäre bereits genügend Stoff zum Kopfzerbrechen. Doch mit dem Referendum gegen die Energiestrategie hat sich der Parteipräsident gleich die nächste Knacknuss beschert.
Standpauke von links
Rösti war es, der die Fraktionskollegen in der Wintersession dazu anhielt, persönlich Unterschriften zu sammeln. Doch längst haben sich die politischen Gegner in diesem Dossier auf Rösti eingeschossen. Als der Nationalrat das Pariser Klimaabkommen verhandelte, kanzelte der Basler Beat Jans (52, SP) die SVP und ihren Chef als «Handlanger der Ölindustrie» ab. Damit spielte er auf Röstis Position als Präsident von Swissoil an. Ein Posten, der auch mit Blick auf die Abstimmung vom 21. Mai wie ein schwarzer Fleck auf Röstis weisser Weste klebt.
Politisches Geplänkel mittels persönlicher Anfeindungen liegt ihm nicht. Das aber befördert Röstis Image als netter Chrampfer, dem der Killerinstinkt fehlt. Auch damit will er nun aufräumen. «Nett ist kein Kompliment», gibt der SVP-Chef zurück. «Und ich bin sicher nicht harmlos.» Es töne zwar anders unter ihm als unter früheren Präsidenten. «Inhaltlich ist es aber dasselbe.»