BLICKpunkt über die Abstimmung zur Rentenreform am 24. September
Die Vertrauensfrage

Die Abstimmung über die Altersvorsorge fällt vielen Stimmbürgern schwer. Sie könnten sich einfach fragen, wem sie mehr vertrauen: Bundesrat Berset oder FDP-Präsidentin Gössi?
Publiziert: 09.09.2017 um 07:13 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:02 Uhr
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Christian Dorer

Die Altersvorsorge bedarf dringend einer umfassenden Reform. Daher steht die Schweiz in knapp zwei Wochen vor der wichtigsten Abstimmung seit Langem. Erbittert bekämpfen sich die politischen Lager. Auf der Ja-Seite SP-Bundesrat Alain Berset, der Urheber des Reformvorschlags – an der Spitze der Gegner Petra Gössi, Präsidentin der FDP.

Die Vorlage selbst ist ein gut-schweizerischer Kompromiss. Alle bekommen irgendetwas, alle müssen irgendwo Abstriche machen:

Weniger Pensionskassen-Geld: Der Umwandlungssatz sinkt von 6,8 auf 6,0 Prozent. Für alle, die mit dem gesetzlichen Minimum versichert sind, bedeutet dies eine tiefere Rente.
Höhere AHV: Alle Neurentner erhalten 70 Franken mehr im Monat.
Rentenalter 65 für alle: Frauen arbeiten künftig ein Jahr länger.
Höhere Mehrwertsteuer: Sie steigt zur Finanzierung der AHV um 0,6 Prozent. Damit wird alles für alle teurer.
Höhere Lohnabzüge für die PK: Mehr Kosten – aber auch mehr Altersguthaben für alle.

Wo alle betroffen sind, haben auch alle einen Grund, Nein zu sagen. Ein Nein bedeutet normalerweise: Status Quo – alles bleibt, wie es ist.

Nur: Bei dieser Vorlage gibt es keinen Status Quo. Die Kosten laufen schon jetzt aus dem Ruder, denn wir geben mehr für die Altersvorsorge aus, als wir einnehmen. Wenn sich nichts ändert, wird allein die AHV bis 2039 Schulden von 40 Milliarden Franken anhäufen. Auch die Pensionskassen geben mehr aus, als sie haben. Da ticken zwei gewaltige Zeitbomben!

Alain Berset formulierte im BLICK-Interview einen Schlüsselsatz: «Es gibt nur drei Möglichkeiten: mehr bezahlen, länger arbeiten oder eine tiefere Rente akzeptieren!»

Bersets Vorlage bedeutet zwar für jeden «mehr bezahlen» und für die Frauen «länger arbeiten». Sein Vorschlag sorgt aber auch dafür, dass das Rentenniveau insgesamt gleich bleibt – dank der berühmten 70 Franken mehr für alle. Vermutlich ist es das letzte Mal überhaupt, dass eine solche Reform einen Ausbau vorsieht – weil sie derzeit nur unter diesem Vorzeichen eine Chance hat.

Die Reform, wie sie nun zur Abstimmung steht, löst die Probleme nicht für alle Zeiten. Aber sie ist eine gute Grundlage dafür, weitere Reformen anzugehen. Dass diese unumgänglich sind, hat immerhin eine erfreuliche Ursache: Wir werden immer älter!

Wer angesichts dieser Sachargumente unschlüssig ist, darf auch die Frage stellen, welcher Politiker mehr Vertrauen verdient. Ist es Alain Berset? Er ist ein geerdeter, unideologischer SP-Bundesrat, der für seine Vorlage Kompromisse erarbeitet und damit in Bundesrat und Parlament Mehrheiten gefunden hat. Oder ist es Petra Gössi? Die Chefin der FDP lehnt Bersets Vorschlag radikal ab und will – wenn ihr die Stimmbürger folgen und das Nein-Lager siegt – eine neue Altersvorlage präsentieren, die nur Abbau vorsieht.

Berset oder Gössi? Wir haben die Wahl.

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