Wir leben in Zeiten des Jugendwahns. Doch diese Woche gehörte den Senioren. In Arbon TG rückte Marlies Näf-Hofmann (90) ins Stadtparlament nach. Die CVP-Frau ist die älteste Politikerin der Schweiz. Sie sagt: «Die Senioren haben ein Recht darauf, dass ihre Anliegen in der Politik vertreten sind.»
Auf den Wahllisten aber stehen vor allem Junge – die Parteien wollen einen frischen Eindruck machen! Dabei ist von 8,4 Millionen Einwohnern der Schweiz ein Achtel älter als 70. Proportional wären sie mit dreissig National- und Ständeräten angemessen vertreten. Tatsächlich gibt es nur drei Parlamentarier dieses Alters. Sie werden ständig gefragt, wann sie endlich Platz machen. Mit 75 Jahren ist Maximilian Reimann (SVP) der älteste: «Die Jungen in der Partei haben das Gefühl, dass man ihnen vor der Sonne steht.»
Das ist mehr als unfair: Wir sollten die Senioren nicht vertreiben. Sondern sie schätzen, einbinden, fördern und fordern!
Im Beruf: Ältere Menschen besitzen Wissen, Erfahrung, oft auch Gelassenheit und Humor. Die besten Resultate im Job bringen gemischte Teams aus Alten und Jungen, Frauen und Männern. Die Wirtschaft sollte allmählich erkennen, was sie an den Senioren hat, statt sie in Frührente zu schicken!
In der Familie: Die Generation der Ältesten war früher häufig ausgelaugt und krank, bisweilen auch eine Belastung. Wer heute pensioniert wird, hat oft noch mehrere Jahrzehnte vor sich – was für ein Segen! Und was für ein Glück für die Jungen, wenn sich die Grosseltern um die Enkel kümmern können; mithelfen, den Alltag zu meistern; zu geschätzten Gesprächspartnern werden.
Doch nun ist Streit entbrannt über die Zukunft der Altersvorsorge. Immer mehr Menschen, die immer länger leben: Das kostet. Immer tiefere Zinsen: Das frisst die Reserven weg.
Darum kämpft Alain Berset wie ein Löwe für seine Altersreform, über die wir am 24. September abstimmen. Am Dienstag sagte der Sozialminister im BLICK: «Es gibt nur drei Möglichkeiten: mehr bezahlen, länger arbeiten oder eine tiefere Rente akzeptieren.»
Berset will das Rentenniveau halten, also dass alle mehr zahlen müssen. Doch wird damit nicht der Generationenvertrag verletzt? Haben die Jungen nicht irgendwann die Nase voll davon, das Leben der Alten zu finanzieren? Bei der Gründung der AHV finanzierten sechs Erwerbstätige einen Rentner, 2030 werden es zwei sein.
Eine repräsentative Umfrage zeigt nun: Statt Kürzungen in Kauf zu nehmen, wollen 53 Prozent der Schweizer lieber mehr für ihre künftigen Renten zahlen; nur 23 Prozent wollen das nicht. Die Mehrheit sagt sich also: Auch ich werde einmal alt!
Es ist ganz ähnlich wie bei den Krankenkassenprämien: Auch die steigen und steigen. Wir nerven uns Jahr für Jahr. Sie sind eine grosse, für viele sogar erdrückende Last.
Und doch sind wir mit dem System zufrieden. Weil wir wissen, dass für uns gesorgt wird.