Zieht die Schweiz 2029 dem letzten Atomkraftwerk den Stecker, wie dies die Atomausstiegs-Initiative der Grünen fordert? Oder dürfen die Schweizer AKW weiterlaufen, solange sie als sicher gelten? Am 27. November entscheidet das Stimmvolk.
Bei BLICK on tour in Burgdorf BE kämpften Grünen-Nationalrat Bastien Girod (ZH) und SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (BL) für die Initiative, Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl und SVP-Chef Albert Rösti (BE) dagegen. In der energisch geführten Debatte kristallisierten sich drei Brennpunkte heraus:
Die Sicherheit: Der Schweizer AKW-Park gehört zu den ältesten der Welt. Dass das Parlament in der Energiestrategie 2050 keinen Ausstiegstermin beschlossen hat, hält Girod «für russisches Roulette und verantwortungslos». Das Resultat sei ein «ewiger Weiterbetrieb der AKW ohne Sicherheitsmarge».
Die Schweiz habe seit 1969 ein sehr gut funktionierendes Sicherheitssystem, hielt Rösti dagegen. Als Beispiel führte er das aus Sicherheitsgründen derzeit abgeschaltete AKW Beznau I an: «Das ist der beste Beweis dafür, dass das System funktioniert.»
Es bestehe zwar nur ein kleines Restrisiko, befand Nussbaumer. «Tritt es aber ein, sind unsere Lebensgrundlagen zerstört – dann müssen Sie innert 24 Stunden das Köfferchen packen.»
Die Stromlücke: Sofern alle fünf Schweizer AKW am Netz sind, produzieren sie rund 40 Prozent des Strombedarfs. Diesen Anteil rasch mit Erneuerbaren zu ersetzen, sei eine Frage des politischen Willens, so Initiativbefürworter. «Wir haben schon heute eine Warteliste mit über 30'000 Projekten, mit welchen die drei ältesten AKW ersetzt werden können.»
Diesen Optimismus teilte Rösti nicht. Selbst wenn die Sonnenenergie ausgebaut werde, drohe in den Wintermonaten ein Versorgungsengpass. «Dann gibt es massiv weniger Sonnen- und Windenergie», so Rösti.
Der Dreckstrom: Klar ist: Bis der Atomstrom durch einheimische Energie ersetzt ist, braucht es zusätzliche Stromimporte. «Wir wollen keine höhere Abhängigkeit vom Ausland und sicher keinen dreckigen Kohlestrom aus Deutschland importieren müssen», so Wirtschaftsfrau Rühl.
Girods Konter: «Ausgerechnet jene, welche den Klimaschutz immer bekämpfen und sich gegen eine Dreckstrom-Abgabe gewehrt haben, warnen jetzt vor Kohlestrom.»
In der Schlussrunde diskutierte auch das Publikum engagiert mit. Zumindest bei jenen, die sich zu Wort meldeten, hatten die AKW-Skeptiker die Überhand.
Und in einem Punkt waren sich die Podiumsteilnehmer sogar einig: Neue AKW werden in der Schweiz kaum mehr gebaut. Rühls Erklärung: «Im jetzigen Moment rechnen sich neue Kernkraftwerke nicht.»