Für die Pro-Senectute-Präsidentin ist klar: Wird die Vorlage am 24. September verworfen, seien Rentenkürzungen unumgänglich. «Es gibt keine Alternative», sagte sie in einem Interview mit der «SonntagsZeitung». Die Reform sei «in der Balance».
Als Finanzministerin hatte Widmer-Schlumpf die unterschiedlichsten Varianten der Rentenreform berechnen lassen. Der jetzige Kompromiss schaffe eine finanziell stabile Grundlage für die nächsten Jahre. «70 Franken mehr AHV für Neurentner, gegenfinanziert durch eine Erhöhung der Lohnbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern um insgesamt 0,3 Prozentpunkte, bringen die Finanzen der AHV nicht zusätzlich in Schieflage.»
Gegner-Slogan «an den Haaren herbeigezogen»
Bei einem Nein wären dagegen massiv höhere Beiträge für AHV und berufliche Vorsorge nicht mehr zu verhindern. «Sanierungsmassnahmen wie eine Zusatzsteuer für die AHV oder Rentenkürzungen wären unumgänglich.»
Für Widmer-Schlumpf ist klar: «Die Reform schafft eine gesunde finanzielle Grundlage und berücksichtigt die Anliegen der jetzigen und späteren Rentner.» Der Slogan der Gegner, die heutigen Rentner würden verlieren und würden verraten, sei «an den Haaren herbeigezogen».
Auch die Behauptung, die Reform gehe auch auf Kosten der Jungen, will Widmer-Schlumpf nicht gelten lassen. «Wir müssen und können mit der Reform die Jungen von der heutigen Quersubventionierung der Rentner in der Pensionskasse entlasten.»
Die Reform sichere die Renten für mehr als zehn Jahre. Sie sei ein Kompromiss und ein erster wichtiger Schritt. «Wer diesen Schritt verhindern will, riskiert, unsere Vorsorgewerke an die Wand zu fahren.»
Widmer-Schlumpf sprach sich gegen USRIII aus
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Widmer-Schlumpf in einem Abstimmungskampf einmischt. Vor der Abstimmung über die letztlich gescheiterte Unternehmenssteuerreform III, die sie selber aufgegleist hatte, kritisierte sie das Ergebnis als unausgewogen.
Wie damals wird sie auch heute für ihre Äusserungen kritisiert. Die AHV-Reformgegner verlangen, dass sie sich nicht in dem Abstimmungskampf einmischt. Aber die alt Bundesrätin will sich den Mund nicht verbieten lassen und bricht das ungeschriebene Gesetz, wonach sich ehemalige Regierungsmitglieder aus aktuellen Politgeschäften rauszuhalten haben, erneut.
«Pro Senectute setzt sich seit hundert Jahren für gesellschaftlich relevante Fragen ein, die ältere Menschen und zukünftige Senioren betreffen», argumentiert sie. «Ich finde, bei Geschäften, die ein Bundesrat intensiv begleitet hat, ist es gerechtfertigt, wenn sich dieser auch nach dem Rücktritt dazu äussert.»