Im Zentrum des Streits steht die Frage, wie die Rentenausfälle in der zweiten Säule ausgeglichen werden. Diese entstehen durch die Senkung des Umwandlungssatzes. SP, CVP und BDP, die im Ständerat die Mehrheit stellen, wollen einen Zuschlag von 70 Franken auf neue AHV-Renten.
Der Versuch, die erste Säule zu stärken, war mit der Initiative AHVplus gescheitert. Nun will die Linke bei der Reform der Altersvorsorge möglichst viel für die AHV herausschlagen. Der Druck ist vorhanden: Bei der linken Basis hat die Vorlage wegen der Erhöhung des Frauenrentenalters einen schweren Stand.
CVP und BDP unterstützen den Zuschlag, weil sie überzeugt sind, dass gegen den Widerstand der Linken keine grosse Reform möglich ist. Diese Überzeugung hat die Stimmbevölkerung am 12. Februar mit dem wuchtigen Nein zur Unternehmenssteuerreform III bestätigt.
SVP, FDP und GLP, die den Nationalrat dominieren, suchen den Ausgleich innerhalb der zweiten Säule. Gemäss dem aktuellen Entwurf der Nationalratskommission sollen jüngere Arbeitnehmende tiefere Pensionskassenbeiträge zahlen. Der Koordinationsabzug soll ganz abgeschafft werden, was vor allem Frauen zugute kommen würde.
Dieses Modell ist günstiger als alle bisher vorgelegten. Die Differenz ist auch ideologisch. Ein Teil der Bürgerlichen vertritt den Anspruch, dass sich im Grundsatz jede und jeder um die eigene Altersvorsorge kümmern soll. Das ist bei der AHV nicht der Fall, die aktive Generation finanziert die Renten der Pensionierten. Der Zuschlag müsste von den Jungen finanziert werden, was gemäss den Gegnern einen Generationenkonflikt schürt.
Für viele Rechtsbürgerliche handelt es sich um eine rote Linie: Lieber wollen sie keine Reform als eine mit AHV-Zuschlag. Bisher waren die Fronten unverrückbar. Doch kurz vor der Schlussrunde gibt es plötzlich Bewegung. Die Grünliberalen wollen die Reform offenbar um keinen Preis am die Wand fahren.
«In der Schlussabstimmung die 70 Franken schlucken zu müssen, wäre für uns eine sehr bittere Pille», sagte der Zürcher Nationalrat Thomas Weibel, einer der GLP-Wortführer, dem «Blick». «Aber wir dürfen die Vorlage nicht scheitern lassen.» Auch GLP-Chef Martin Bäumle (ZH) erklärte, die Reform sei zu wichtig, um sie scheitern zu lassen.
Kampflos will die Fraktion das Feld aber nicht räumen. Die GLP setze alles daran, einen Kompromiss ohne die 70 Franken oder zumindest mit einem eingeschränkten Kreis von Bezügern zu finden, sagte Weibel der sda. «Wir wehren uns bis zum Schluss gegen die Zweiklassen-AHV.»
Die Grünliberalen haben im Nationalrat sieben Sitze. Selbst mit ihren Stimmen käme keine Mehrheit für den Zuschlag zusammen. Den Ausschlag geben könnten bürgerliche Abweichler, die der Versicherungswirtschaft nahe stehen. Wegen des geltenden Umwandlungssatzes ist die Reform für die Pensionskassen von vitalem Interesse.
Auch Bauernvertreter könnten kippen. Die Landwirte haben mehr vom AHV-Zuschlag als von einer ausgebauten Pensionskasse. «Wir brauchen eine Lösung», sagte der Berner SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal der sda. «Die 70 Franken sind eine Option.»
So könnte der AHV-Zuschlag die Schlussabstimmung überstehen. Dass er es bis dahin schafft, scheint wahrscheinlich. Nach zwei Beratungen im Nationalrat und einer Runde im Ständerat kommt am Donnerstag der dritten Sessionswoche voraussichtlich die Einigungskonferenz zum Zug. Da die CVP-SP-Allianz in diesem Gremium die Mehrheit hat, könnte sich der Zuschlag durchsetzen.
Bis es soweit ist, haben die Räte noch weitere Differenzen zu klären. Doch das dürfte vergleichsweise einfach sein. Die automatische Erhöhung des Rentenalters zur Stabilisierung der AHV gilt als politisch derart chancenlos, dass sie wohl nur als Verhandlungsmasse eine Rolle spielen wird. Das gleiche gilt für die Erhöhung der Mehrwertsteuer, den Anspruch auf Witwen- und Kinderrenten oder die Auszahlung von Pflegekinderrenten ins Ausland.
Die letzte Hürde ist die Volksabstimmung. Wegen der nötigen Verfassungsänderung kommt die Vorlage ohnehin an die Urne. Von rechts der Mitte wird einer Reform mit AHV-Zuschlag ohnehin ein kalter Wind entgegenwehen. Als fatal könnte sich aber die Spaltung der Linken erweisen. Vor allem die Gewerkschaften haben an der Erhöhung des Frauenrentenalters schwer zu schlucken.