AHV-Krimi um 70 Franken
Rettet ausgerechnet die SVP den AHV-Zustupf?

Noch ist die Renten-Reform absturzgefährdet. Doch hinter den Kulissen wird fleissig für eine Lösung geweibelt. Die 70-Franken-Allianz überlässt nichts dem Zufall.
Publiziert: 28.02.2017 um 23:48 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 17:25 Uhr
Neuzugang im 70-Franken-Lager: SVP-Nationalrat Hansjörg Walter (TG).
Foto: EQ Images
Sermîn Faki und Ruedi Studer

Die rechtsbürgerliche Mehrheit im Nationalrat liess gestern noch einmal die Muskeln spielen: FDP, SVP und GLP sagten Nein zum 70-Franken-AHV-Zustupf. Diesen schlägt der Ständerat vor, um die Rentenkürzung in der zweiten Säule auszugleichen. Die bürgerliche Mehrheit in der grossen Kammer wollte nichts davon wissen und verhinderte so eine schnelle Lösung im Rentenpoker.

Doch der bürgerliche Widerstand ist nicht mehr als ein letztes Aufbäumen vor der Niederlage. Am Ende, das weiss eigentlich jeder unter der Bundeshauskuppel, wird sich der Ständerat durchsetzen. Die nationalrätliche Front gegen den 70-Franken-Deal bröckelt bereits seit Wochen.

Die 70-Franken-Koalition überlässt nichts dem Zufall

Immer am Telefon: Alt Ständerätin Christine Egerszegi (FDP/AG).
Foto: Freshfocus

Denn die Unterstützer des AHV-Zustupfs überlassen nichts dem Zufall. Generalstabsmässig arbeiten sie in Hinterzimmern daran, dass die nötigen 101 Stimmen im Nationalrat zusammenkommen. So hat Christine Egerszegi die letzten Wochen vor allem am Telefon verbracht. Die freisinnige Aargauer alt Ständerätin ist eine der Architektinnen des 70-Franken-Deals und weibelt unermüdlich dafür, insbesondere im Westschweizer Freisinn, der staatsgläubiger ist als sein Deutschschweizer Pendant.

Eine weitere zentrale Rolle kommt Bauernpräsident Markus Ritter (CVP) zu. Er soll die Landwirtschaftsvertreter in SVP und FDP davon überzeugen, dass ihrer Klientel mit 70 Franken mehr AHV mehr geholfen ist als mit den Plänen des Nationalrats (siehe Box).

Umworbene SVP

Bearbeitet die Landwirtschaftsvertreter: Bauernpräsident Markus Ritter (CVP/SG).
Foto: Peter Mosimann

Besonders fleissig bearbeitet werden SVPler. Diese gelten als zugänglicher, weil ihre Wähler von einer starken AHV profitieren. Dort zeigen sich denn auch bereits Absetzungstendenzen. Nationalräte wie Christian Imark (SO), Ulrich Giezendanner (AG), Andreas Aebi (BE), Erich von Siebenthal (BE) und Pierre-André Page (FR) haben signalisiert, dass sie notfalls die Lösung des Ständerats schlucken werden.

Jetzt wagt sich auch der frühere Bauernpräsident Hansjörg Walter (TG) aus der Deckung: «Wir müssen ein Scheitern der Reform auf jeden Fall verhindern», sagt er zu BLICK. «Wenn es nicht anders geht, werde ich in der Schlussabstimmung der Ständeratsvariante und damit auch den 70 Franken zustimmen.»

Auf Seiten der 70-Franken-Koalition rechnet man fest mit ganz rechts: «Am Ende wird die SVP-Rennleitung dafür sorgen, dass die nötigen Stimmen für die 70 Franken zustande kommen», heisst es.

Aufweichung auch im Freisinn

Aber selbst aus dem Freisinn gibt es erste Signale, dass sich die Fronten aufweichen. Offiziell will sich noch niemand zitieren lassen, doch auch in der FDP wird es spätestens in der letzten Sessionswoche Abweichler geben. Denn dann geht es definitiv darum, die Ständeratsvariante zu unterstützen – oder die Reform an die Wand zu fahren. 

Bis dahin jedoch wird die harte Linie durchgezogen. Vorerst gilt die Rentenreform bei den Freisinnigen als strategisches Geschäft. Heisst: Ein Abweichen von der Parteilinie ist verpönt, einzig Enthaltungen werden geduldet. Erst, wenn das Ergebnis der Einigungskonferenz auf dem Tisch liegt, will die Partei definitiv festlegen, ob sie die Reform mitträgt.

Ständerat sieht keinen Spielraum

SP-Ständerat Hans Stöckli (BE) sieht keinen Spielraum für Kompromisse.
Foto: Keystone

Unterdessen hofft das rechte Lager noch auf ein Einlenken des Ständerats. Vergeblich. Selbst wenn es in Nuancen Anpassungen geben sollte, werden sich in den grossen Linien die beiden jetzigen Modelle in der Einigungskonferenz gegenüberstehen. «Ich sehe keinen Verhandlungsspielraum mehr», sagt SP-Ständerat Hans Stöckli (BE). Und CVP-Ständerat Konrad Graber (LU) macht klar: «Ein Verschmelzen der beiden Modelle ist schlicht nicht möglich. Die Einigungskonferenz wird damit zur Entscheidungskonferenz.»

Dort hat die Mitte-links-Allianz mit 14 zu 12 Stimmen die Mehrheit. Eine komfortable Ausgangslage, denn ein allfälliges Scheitern der grossen Rentenreform müssten FDP und SVP auf ihre Kappe nehmen.

Der grosse Streit um 70 Franken

Die Altersreform 2020 besteht aus drei wichtigen Massnahmen: Anhebung des Frauenrentenalters auf 65, Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie Senkung des Pensionskassen-Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent.

Diese Senkung führt dazu, dass die Renten aus der zweiten Säule um zwölf Prozent sinken. Das hätte vor dem Volk keine Chance. Darum muss ein Ausgleich her. Der Ständerat schlägt vor, im Gegenzug die AHV-Renten um 70 Franken pro Monat zu erhöhen.

Der Nationalrat sperrt sich gegen den AHV-Zustupf. Er will die Renteneinbussen dort kompensieren, wo sie entstehen: in der zweiten Säule. Das heisst, Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen mehr Geld in die Pensionskasse einzahlen.

Sermîn Faki

Die Altersreform 2020 besteht aus drei wichtigen Massnahmen: Anhebung des Frauenrentenalters auf 65, Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie Senkung des Pensionskassen-Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent.

Diese Senkung führt dazu, dass die Renten aus der zweiten Säule um zwölf Prozent sinken. Das hätte vor dem Volk keine Chance. Darum muss ein Ausgleich her. Der Ständerat schlägt vor, im Gegenzug die AHV-Renten um 70 Franken pro Monat zu erhöhen.

Der Nationalrat sperrt sich gegen den AHV-Zustupf. Er will die Renteneinbussen dort kompensieren, wo sie entstehen: in der zweiten Säule. Das heisst, Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen mehr Geld in die Pensionskasse einzahlen.

Sermîn Faki

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