Abstimmung vertagt
EU-Beitrittsgesuch fällt Fraktionsreisli zum Opfer

1992 stellte die Schweiz überstürzt ein EU-Beitrittsgesuch. Nach der EWR-Abstimmung wanderte es in den politischen Tiefkühler. Heute hätte der Nationalrat erneut darüber befinden sollen, hätte. So weit kams dann nicht.
Publiziert: 10.06.2015 um 12:48 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:57 Uhr
Flaggen der Schweiz und der EU (Symbolbild)
Foto: Keystone

Es war ein überstürzter Entscheid, mit einer Zufallsmehrheit. So beschreibt Alt-Bundesrat Arnold Koller in seinen Memoiren, wie der Bundesrat im Mai 1992 der EU ein Beitrittsgesuch stellte. Nun könnte es heute im Nationalrat erstmals eine Mehrheit geben, dass das Gesuch nicht einfach tiefgefroren bleibt, wie der Bundesrat nach dem EWR-Nein den Zustand der Beitrittsgesuch zu erklären versuchte. Sondern die grosse Kammer könnte fordern, dass es wirklich formell zurückgezogen wird. Die Mitte könnte nämlich aus taktischen Gründen einer Motion von SVP-Nationalrat Lukas Reimann zustimmen, der dies nämlich explizit fordert, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt.

Das Gesuch sei ein Hindernis in den laufenden Verhandlungen mit Brüssel, begründet Reimann seinen Vorstoss. Die EU behandle die Schweiz noch immer wie einen Beitrittskandidaten statt wie einen unabhängigen, eigenständigen Drittstaat. «Es muss deshalb sofort und definitiv zurückgezogen werden», sagte Reimann gegenüber der «AZ».

Ausserhalb der SVP nimmt diese Argumentation zwar niemand ernst. «Die Diskussion um dieses Gesuch ist lächerlich», sagt etwa FDP-Aussenpolitikerin Doris Fiala. Es handle sich um Politmarketing der SVP, so die Zürcherin. Dennoch zeichnet sich nun erstmals eine Mehrheit für den Rückzug ab. FDP- und CVP-Politiker schätzen den aussenpolitischen Preis geringer ein als früher.

Ähnlich argumentiere auch eine Mehrheit in der CVP. Die Partei habe sich gestern an ihrer Fraktionssitzung mit dem Vorstoss von Lukas Reimann auseinandergesetzt, verzichtete dann aber laut der Zeitung darauf, im Communiqué auf die Sache einzugehen. Man wolle dem Thema offenbar nicht noch zusätzliches Gewicht verleihen. Die Baselbieter Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter gehört zu jener Gruppe, die das Gesuch zurückziehen will. Allerdings: «Der Rückzug bedeutet nicht, dass wir mit der EU nicht mehr zusammenarbeiten wollen. Im Gegenteil. Die Bilateralen müssen unbedingt gestärkt werden», fordert die Nationalrätin gegenüber der «AZ».

Auch im rot-grünen Lager gibt es dafür keine Sympathien. Ein EU-Beitritt ist zwar auch unter Linken nicht mehr mehrheitsfähig. Doch die Option will man sich langfristig aber auch nicht nehmen lassen. Darum ist man dort weiterhin für den Tiefkühler als richtigen Lagerort für das Beitrittsgesuch.

Dagegen votieren mussten die Linken dann aber nicht. Die Abstimmung fand nicht statt. Sie fiel den Fraktionsreisli zum Opfer. (eis)

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