Gegen das Gesetz stellten sich die Grünen, die vor einem «Lauschangriff» warnten. «Eine offene liberale Gesellschaft wird nicht totalüberwacht,» sagte Aline Trede (Grüne/BE). Daniel Vischer (Grüne/ZH) stellte fest, die persönliche Freiheit sei das kostbarste Gut. Mit dem neuen Gesetz könne der Nachrichtendienst Wohnungen verwanzen, Telefone abhören und in Computer eindringen - und das ohne Verdacht auf eine strafbare Handlung.
«Wir unterschätzen die terroristische Gefahr nicht, wir sind keine Naivlinge», versicherte Vischer. Doch die Bundesanwaltschaft habe die nötigen Kompetenzen, um bei Verdacht eingreifen zu können. Mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz dagegen werde ein Überwachungssystem installiert - in neuer Qualität und wie man es nach dem Fichenskandal nicht mehr für möglich gehalten hätte.
Die Grünen wiesen auch darauf hin, dass Überwachungsexzesse andere Länder nicht vor Terroranschlägen geschützt hätten. Mit der pauschalen Ablehnung des neuen Gesetzes standen sie indes beinahe alleine da: Der Nationalrat beschloss mit 154 zu 33 Stimmen, auf die Vorlage einzutreten.
Vor sechs Jahren war der Bundesrat mit beinahe identischen Vorschlägen im Parlament noch gescheitert. Damals stellten sich neben den Grünen auch die SVP und die SP gegen die präventive Überwachung. Nun ist die SVP dezidiert dafür - und die Mehrheit der SP zumindest nicht gänzlich dagegen.
Thomas Hurter (SVP/SH) bezeichnete die Warnungen vor einer neuen Fichen-Ära und einem Schnüffelstaat als «absoluten Blödsinn». Das Gesetz sei streng. «Es ist ausgeschlossen, dass wir in die Sammelwut der 1980er Jahre zurückfallen», sagte Hurter. Die Kehrtwende der SVP begründete Hurter damit, dass sich die Bedrohungen verändert hätten.
Auch die Befürworterinnen und Befürworter aus den Reihen der anderen Parteien argumentierten mit der Gefahr terroristischer Anschläge, die zugenommen habe. Ohne Sicherheit gebe es keine Freiheit, lautete der Tenor. Die Schweiz dürfe nicht zu einem Mekka für Terroristen werden - und nicht zu einem Tummelfeld fremder Nachrichtendienste.
Heute seien die Möglichkeiten des Nachrichtendienstes beschränkt, gab Corina Eichenberger (FDP/AG) zu bedenken. Neue Kommunikationsmöglichkeiten riefen nach neuen gesetzlichen Grundlagen. «Wir wollen keinen blinden und tauben Nachrichtendienst.»
Die SP und die Grünliberalen stehen dem Gesetz zwar kritisch gegenüber, sind aber nicht grundsätzlich dagegen. Die Mehrheit der SP-Fraktion wolle das Gesetz verbessern statt sich der Diskussion zu verschliessen, erklärte Edith Graf-Litscher (SP/TG). Ohne Verbesserungen - etwa beim Verfahren zur Genehmigung von Abhörmassnahmen - werde die SP allerdings am Ende Nein stimmen.
Evi Allemann (SP/BE) sagte, je nach Ausgang der Beratungen könnte die SP auch ein Referendum unterstützen. Für das Gesetz sprach sich SP-Nationalrätin Chantal Galladé (ZH) aus. Einige Terroranschläge hätten dank Nachrichtendiensten verhindert werden können. Deshalb sollte auch der Schweizer Nachrichtendienst zeitgemässe Mittel für die Prävention erhalten.
Ob die Änderungsanträge aus den Reihen der Skeptiker und Gegner eine Chance haben, wird sich am Dienstagmorgen zeigen, wenn der Rat die ersten Entscheide fällt
Umstritten ist etwa ein Gesetzesartikel, der den Bundesrat ermächtigen würde, den Nachrichtendienst in «besonderen Lagen» mit Tätigkeiten zu beauftragen, die über den eigentlichen Staatsschutzauftrag hinausgehen. Die Gegner sehen darin eine fragwürdige Generalklausel. Eine Minderheit möchte den Artikel streichen, eine weitere beantragt, den Ausdruck «besondere Lage» durch «ausserordentliche Lage» zu ersetzen.
Zu reden gaben am Montag ferner Bestimmungen zur politischen Betätigung und der Ausübung der Meinungs-, Versammlungsfreiheit. Der Bundesrat will im Gesetz verankern, dass der Nachrichtendienst dann Informationen darüber beschaffen darf, wenn konkrete Anhaltspunkte auf terroristische oder gewalttätig-extremistische Tätigkeiten vorliegen.
Die Grünen befürchten, dass diese Formulierung eine breite Überwachung wie zu Zeiten der Fichen erlaubt und beantragen deshalb, den Artikel zu streichen. Diskutiert wurde ferner darüber, ob der Nachrichtendienst Fluggeräte und Satelliten ohne Bewilligung im Einzelfall einsetzen darf.
Im Zentrum werden am Dienstag indes die Entscheide zu den bewilligungspflichtigen Überwachungsmassnahmen stehen. Hier setzen sich die Kritiker für strengere Vorschriften ein.