«Das Werbeverbot hätte den Vorteil, dass die SRG sich voll auf ein schmäleres, mit wenig Kanälen ausgestattetes Programm konzentrieren und sich aus dem Schlachtfeld um grössere Werbeanteile mit den Privaten zurückziehen könnte», sagt Verleger-Präsident Hanspeter Lebrument.
Lebruments Forderung ist weder blosse Polemik noch weltfremde Utopie. Sie ist ein Zurück zu den Anfängen: Während der ersten 34 Jahre ihres Bestehens war die SRG strikt werbefrei. Der erste Werbespot flimmerte erst am 1. Februar 1965, also zwölf Jahre nach dem Start des Fernseh-Versuchsbetriebs, über die helvetischen Bildschirme.
Die Gefahr, dass ihnen der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Werbeeinnahmen abgraben könnte, witterten die Verleger von Anfang an. Verhindern konnten sie das Fernsehen nicht. Am 1. Januar 1958 erhielt die SRG die Konzession für die Verbreitung von Fernsehprogrammen.
Nach dem Willen des Bundesrats sollte das öffentlich-rechtliche Fernsehen ohne Subventionen auskommen. Ein Kuhhandel mit den Verlegern machte dies möglich. Diese verpflichteten sich, der SRG jedes Jahr zwei Millionen Franken zu überweisen, wenn diese im Gegenzug auf Werbung verzichtete. Allerdings galt die Regelung nur, solange die Zahl der Empfangsbewilligungen unter 180 000 blieb. Damit unterschätzten die Verleger die Dynamik des Fernsehens dramatisch: Die Marke war schon 1961 geknackt, der Deal wurde hinfällig.
Werbebeschränkungen blieben aber bestehen. Bis 1998 durfte die SRG an Sonn- und Feiertagen keine Werbespots ausstrahlen. Auch die Abende blieben lange werbefrei.
Dennoch gedieh die SRG prächtig. Regierung und Armee hatten schon während des Zweiten Weltkriegs die politische Bedeutung des Rundfunks erkannt. Von 1938 bis 1945 wurde die Konzession ausser Kraft gesetzt. Die Programmhoheit lag beim Staat, die SRG wurde zum zentralen Organ für die «Geistige Landesverteidigung».
Nach dem Krieg fiel zwar die direkte staatliche Einflussnahme weg, die SRG blieb aber obrigkeits-treu. Die Zuschauer nahmen das ohne Murren hin. Erst Ende der 1960er-Jahre wurde Kritik am Monopolrundfunk laut. Seither liefern sich SRG und private Medienveranstalter ein ewiges Rennen zwischen Hase und Igel: Die Privaten sind oft schneller, am Schluss gewinnt aber immer die SRG.
Nachdem Radiopirat Roger Schawinski vom Pizzo Groppera aus Italien nach Zürich gesendet hatte und das Radio schliesslich 1983 liberalisiert worden war, schickte die SRG mit DRS 3 und später Virus eigene Pop- und Jugendsender ins Feld. Bei der Abwehr des Privatfernsehens wurde die Verteidigungsstrategie dann perfektioniert. 1993 drückte der damalige Medienminister Adolf Ogi mit S-Plus eine vierte Fernsehkette durch, die relativ unabhängig von der SRG agieren sollte. Das Experiment scheiterte kläglich, die Nachfolgesender SF2, TSR2 und TSI2 wurden strikt auf die Bedürfnisse des Mutterhauses abgestimmt.
Die Verlagshäuser Ringier, NZZ und Jean Frey holte die SRG mit Presse TV an Bord und beteiligte sie an den Einnahmen. Damit war das Scheitern von Privatsendern mit nationaler Reichweite programmiert: Schawinskis Tele 24 und TV3 von Tamedia hielten nur wenige Jahre durch, 2001 war für beide Sendeschluss. Die Exklusiv-Übertragung der Fussball-WM 2002 in Japan und Südkorea durch Sat.1 Schweiz blieb das einsame Highlight in der Geschichte des hiesigen Privatfernsehens.
Im Kampf gegen die Privaten wurde die SRG zum mit Abstand grössten Medienunternehmen der Schweiz. 17 Radio- und sieben TV-Kanäle tragen ihre Flagge, der Jahresumsatz beträgt 1,7 Milliarden Franken. Finanziert wird das Imperium zu 75 Prozent aus Gebührengeldern. Mit 462 Franken jährlich zahlen die Schweizer die europaweit höchsten Rundfunk-Abgaben.
Die Kritik am Gebühren- und Expansionshunger der SRG bleibt dennoch überschaubar. Jeden neuen Sender, jede neue App rechtfertigt die SRG als notwendigen Ausbau des «Service public». Der heutige SRG-Generaldirektor Roger de Weck ist in dieser Disziplin ähnlich beschlagen wie seine Vorgänger.
Und es gibt kein Halten. Geht es nach dem Willen der SRG-Bosse, würden sie heute auch im Internet Werbung schalten. Zumindest dies wurde verhindert – bis jetzt.