500 wollen Migranten privat aufnehmen
Schweizer zeigen mehr Herz für Flüchtlinge

Die SVP ruft zum «Widerstand» gegen neue Asylzentren. Die CVP zieht wahlkampftaktisch nach. Dabei wollen mehr Schweizer als jemals zuvor Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnehmen.
Publiziert: 04.08.2015 um 09:56 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:02 Uhr
Asylbewerber aus Eritrea in einer Unterkunft im Tessin (Archiv).
Foto: Keystone
Von Simon Marti

SVP-Präsident Toni Brunner hat den Ton gesetzt: Er rief seine Partei zum «aktiven Widerstand» gegen neue Asylzentren auf und besetzte früh das liebste Wahlkampfthema der Volkspartei. Am Wochenende zog die CVP nach. Wie die «NZZ am Sonntag» berichtete, pocht eine Gruppe um Nationalrat Gerhard Pfister und Ständerat Urs Schwaller auf einem härteren Umgang mit Flüchtlingen.

In einem Papier, das von Parteipräsident Christophe Darbellay abgenickt worden sei, fordern sie zum Beispiel, dass Sozialleistungen nur noch bargeldlos, etwa in Form von Gutscheinen ausbezahlt werden sollen.

Massive Kritik der Flüchtlingshilfe

Damit solle verhindert werden, dass die Flüchtlinge Geld in ihre Heimatländer schicken. Zudem fordern die CVP-Politiker eine Arbeitspflicht für Asylsuchende. Allerdings sollen die Flüchtlinge dafür keinen Lohn erhalten. 

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) geht mit diesen Vorschlägen hart ins Gericht. «Dass die so genannten Mitteparteien meinen, nachziehen zu müssen, wenn die SVP das Asylwesen zum Wahlkampfschwerpunkt macht, ist klar, aber auch keine Lösung», sagt SFH-Sprecher Stefan Frey.

«Zwangsarbeit»

Praktikabel sei dies ohnehin nicht. «Arbeit ohne Lohn ist Zwangsarbeit und verstösst gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.» Auch die Abgabe von Gutscheinen oder Bons statt Bargeld sei kaum praktikabel. Die zuständigen kantonalen Stellen seien heute schon am Anschlag. Würde nun die Auszahlung umgestellt werden, müsste eine «riesige Bürokratie» aufgebaut werden.

Mehr als 500 Hilfsangebote

Für Frey gehen die Rufe nach einem härteren Umgang mit Flüchtlingen an der Haltung der Bevölkerung vorbei. Denn noch nie hätten derart viele Privatpersonen angeboten zu helfen und Asylsuchende bei sich zu Hause aufzunehmen. Bis im Juni dieses Jahres seien es bereits über 500.

Zum Vergleich: «2014 waren rund 250 Familien und Einzelpersonen bereit, Menschen bei sich aufzunehmen oder sich in anderer Weise freiwillig zu engagieren», so Frey. «Hier», sagt der SFH-Sprecher, «ist etwas ins Rollen gekommen». Für ihn sei klar, dass Politiker, die mit dem Holzhammer operieren, mehr Aufmerksamkeit erhielten. «Aber irgendwann wird man taub vom Lärm.»

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