Seit dem Mindestkurs-Schock ringen Arbeitgeber ihrem Personal grosse Zugeständnisse ab. Haben die Gewerkschaften eigentlich gar nichts mehr zu melden?
Auch ich habe den Eindruck, dass einzelne Bosse ihre Mitarbeiter jetzt unter massiven Druck setzen. Sie verhandeln nach der Devise: Vogel friss oder stirb. Langfristig ist das nicht sinnvoll. Denn sobald die Krise ausgestanden ist, werden die besten Mitarbeiter abspringen. Meine Erfahrung zeigt, dass dort, wo die Gewerkschaften mit am Verhandlungstisch sitzen, intelligentere, ausgewogenere Lösungen entstehen.
Zum Beispiel?
Es braucht eine Opfersymmetrie. Die kann etwa darin bestehen, dass Mitarbeiter vorübergehend mehr leisten, aber die Arbeitgeber zugleich garantieren, auf Kündigungen zu verzichten. Wer jetzt billig die Produktivität auf dem Buckel der Arbeitenden erhöht, bezahlt früher oder später einen hohen Preis dafür.
Ist eine einseitige Erhöhung der Arbeitszeit wie bei Georg Fischer eine dumme Lösung?
Diese Massnahme kann etwa bei Produktionsengpässen oder bei einer Flut von Aufträgen Sinn machen. Warum Georg Fischer in der aktuellen Krisensituation zu diesem Mittel greift, muss man mir erst noch erklären.
Rollt jetzt eine Welle von Lohnkürzungen und Verschlechterungen auf die Schweizer Arbeiter zu?
Ich warne vor kurzfristigem Rendite-Denken. Am gescheitesten wäre es, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam Druck auf die Nationalbank ausüben würden, dass sie den Euro-Wechselkurs bei mindestens 1.15 Franken stabilisiert. Zudem sind die Firmen angehalten, ihre Forderungen mit aller nötigen Transparenz zu begründen, bevor Massnahmen getroffen werden.