40 Personen sind 2019 verpfiffen worden
Heimatreisen werden Flüchtlingen zum Verhängnis

Über 300 Ausländern ist letztes Jahr der Asylstatus entzogen worden. Nicht selten, weil sie unerlaubt ins Land gereist sind, aus dem sie einst geflohen waren.
Publiziert: 03.02.2020 um 10:03 Uhr
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Aktualisiert: 18.03.2021 um 13:09 Uhr
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Flüchtlingen ist es nicht erlaubt, in ihr Heimatland zu reisen. Sonst verlieren sie den Asylstatus.
Foto: KEYSTONE
Lea Hartmann

Die Reise in ihre Heimat hatte Konsequenzen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat einer Irakerin und ihrer Tochter vergangenen Herbst den Flüchtlingsstatus aberkannt und das Asyl entzogen, weil sie einen kranken Angehörigen im Irak besucht hatten. Dem Mann sei es sehr schlecht gegangen, hatte die Frau argumentiert. Nur weil sie hingeflogen sei, habe sie dafür sorgen können, dass er sich einer dringend notwendigen Operation unterziehe.

Doch die Behörden blieben hart. Das Bundesverwaltungsgericht schmetterte die Beschwerde der Frau gegen den Behördenentscheid ab. Flüchtlingen ist es grundsätzlich verboten, in ihr Heimatland zu reisen. Nur in Ausnahmefällen – zum Beispiel, wenn ein naher Familienangehöriger gestorben ist – kann eine Reise bewilligt werden. Die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme waren bei der Irakerin und ihrer Tochter nicht gegeben.

Wer zurückkehrt, wird bestraft

Fälle wie diesen gibt es immer wieder. 2019 haben die Behörden insgesamt 313 Personen den Asylstatus widerrufen, wie das SEM auf Nachfrage von BLICK mitteilt. Die Betroffenen kommen am häufigsten aus Vietnam, Bosnien und Herzegowina, Tunesien, Irak und Iran. Gründe für das Streichen des Asylstatus gibt es viele: Zum Beispiel, weil jemand die öffentliche Sicherheit gefährdet, eine neue Nationalität angenommen hat, freiwillig in seine Heimat zurückgekehrt, von sich aus auf den Asylstatus verzichtet – oder eben wegen unerlaubter Reisen ins Heimatland, wie das bei den beiden Irakerinnen der Fall war.

Die Heimatreisen sind verboten, weil nur den Flüchtlingsstatus erhält, wer in seiner Heimat verfolgt wird. Kehrt jemand freiwillig dorthin zurück, wird davon ausgegangen, dass sie oder er nicht oder nicht mehr bedroht ist – und darum auch kein Asyl mehr braucht.

40 Flüchtlinge verpfiffen

Seit 2015 gibt es eine eigene Stelle, der Verstösse gegen das Heimatreise-Verbot gemeldet werden können. Im vergangenen Jahr wurden auf diesem Weg 40 Flüchtlinge beim SEM verpfiffen. Für 15 von ihnen hatte die Meldung einen Asylwiderruf zur Folge.

Der Entzug des Asylstatus führt jedoch nicht automatisch dazu, dass jemand ausgeschafft wird. Denn für die Aufenthaltsbewilligung ist nicht der Bund, sondern sind die Kantone zuständig. Lebt eine Person schon sehr lange in der Schweiz und hat inzwischen eine Niederlassungsbewilligung, hat der Asylwiderruf praktisch keine Folgen.

Ein stossendes Beispiel dafür ist der Bieler Hassprediger Abu Ramadan, gegen den wegen Sozialhilfebetrugs und Rassendiskriminierung ermittelt wird. Ihm wurde 2018 wegen mehrerer Reisen nach Libyen der Asylstatus und die Flüchtlingseigenschaft entzogen. Trotzdem lebt er weiterhin in der Schweiz – und hetzt hier gegen Andersgläubige.

Zahl der Meldungen nimmt ab

Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass die Zahl der bei der Meldestelle verpfiffenen Flüchtlinge in den letzten drei Jahren markant abgenommen hat. So waren 2018 über doppelt so viele Personen gemeldet worden, 2007 sogar über 100.

Ein möglicher Grund für die Entwicklung könnte laut SEM die Flüchtlingswelle sein, die zu einem starken Anstieg an Asylgesuchen geführt hat. Inzwischen ist die Zahl wieder zurückgegangen. Laut der aktuellen Asylstatistik waren vergangenes Jahr so wenig Asylgesuche eingereicht worden wie 2017 nicht mehr.

Reiseverbot wird ausgeweitet

Die Reise-Einschränkungen von Flüchtlingen sind seit Jahren ein politisch brandheisses Thema. Das Parlament hat mehrere Verschärfungen beschlossen. So gilt künftig eine umgekehrte Beweislast. Nicht mehr das SEM muss beweisen, dass jemand gegen das Verbot verstossen hat, sondern der Flüchtling, dass die Heimatreise rechtens war.

Zudem – und das dürfte für die Betroffenen noch viel grössere Auswirkungen haben – können anerkannten Flüchtlingen bald nicht nur Reisen ins Heimatland, sondern auch dessen Nachbarstaaten verboten werden. Wann genau die Gesetzesänderung in Kraft tritt, hat der Bundesrat noch nicht festgelegt. Für vorläufig Aufgenommene ist ausserdem ein komplettes Reiseverbot vorgesehen.

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