324 Kinder, 9 Jasser und 1 Kaminfeger
Das Bundeshaus ganz privat

Sie kontrollieren Pilze, lieben Damenhandball und könnten zu fünft eine Schulklasse eröffnen. Die BLICK-Auswertung zeigt den neuen Nationalrat von einer anderen Seite.
Publiziert: 25.10.2019 um 23:35 Uhr
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Aktualisiert: 26.10.2019 um 09:29 Uhr
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Am letzten Sonntag wurde der Nationalrat neu gewählt.
Foto: zVg
Ladina Triaca, Tobias Bruggmann, Sermîn Faki (Text), Priska Wallimann (Grafik), Simon Huwiler (Datenanalyse)

Der neue Nationalrat setzt sich zusammen aus 53 SVPlern, 39 SPlern, 28 Grünen, ebenso vielen Freisinnigen, 25 CVPlern, 16 Grünliberalen, ganzen drei BDPlern, gleich vielen EVPler und fünf weiteren Personen, die nicht einer dieser Parteien angehören. Aus 84 Frauen und 116 Männern. Aus Rechten und Linken, Konservativen und Liberalen.

Ist damit alles gesagt? Nein. Denn eigentlich sitzen im Nationalrat 200 Menschen. Persönlichkeiten, die mehr ausmacht als Geschlecht, Herkunft und Parteimitgliedschaft. Es sind Mütter und Väter, Professoren und Landwirte, begeisterte Jogger und «vergiftete» Jasser. Zum Abschluss der historischen Wahlwoche schaut BLICK daher für einmal mit anderen Augen auf den neu gewählten Nationalrat und entdeckt überraschende Details, die im Parlamentsalltag selten zu sehen sind.

Fünf Väter stellen eine ganze Schulklasse

Nachwuchssorgen kennt man im Bundeshaus nicht: Auf jeden Parlamentarier entfallen im Schnitt 1,6 Kinder – das ist leicht mehr als im Schweizer Durchschnitt. Besonders viele Sprösslinge findet man in der – wie könnte es anders sein – Familienpartei CVP. 2,5 Kinder sind hier die Regel. Gleich eine ganze Schulklasse eröffnen könnten die fünf bürgerlichen Herren Kurt Fluri (64, FDP), Christian Lüscher (55, FDP), Alois Gmür (64, CVP), Jean-Paul Gschwind (66, CVP) und Yves Nidegger (62, SVP). Sie haben je fünf Kinder! 

Pilzragout und Rehpfeffer

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SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger arbeitet als Malermeisterin.
Foto: STEFAN BOHRER

Wie stolz sind wir auf das Milizparlament! In Tat und Wahrheit politisieren unter der Bundeshauskuppel aber über 60 Vollzeitpolitiker. Ebenfalls gut vertreten sind Anwälte und Bauern. Doch es gibt auch kreative Farbtupfer: SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger (45) arbeitet als Malermeisterin – und bringt mit roter Haarsträhne die Farbe gleich selbst ins Bundeshaus. Weniger farbig, dafür mit Zylinder und schwarzem Jackett unterwegs ist Bruno Walliser (53, SVP). Er putzt als Kaminfeger die Zürcher Schornsteine. Guten Geschmack bei der Jobwahl beweist Marionna Schlatter (39). Die Grüne arbeitet als Pilzkontrolleurin. Und braucht es zum herbstlichen Pilzragout einen würzigen Rehpfeffer oder ein gutes Bier, kann sie im Rat bestimmt auf Metzger Mike Egger (27, SVP) und Braumeister Alois Gmür (64, CVP) zählen.

Dank Frauen endlich jünger!

Das neue Parlament ist jünger geworden – um mehr als ein Jahr. War der durchschnittliche Nationalrat 2015 knapp über 50, ist er heute nicht einmal mehr 49 Jahre alt. Grössten Anteil an der Verjüngung haben die Frauen – sie sind im Schnitt «nur» 47,6 Jahre alt.

Feminismus-Paradies Obwalden

Von wegen konservativer Kanton: Obwalden ist der Traum aller Feministinnen und Feministen! Jedenfalls seit Sonntag. Als einziger Kanton erreicht er eine Frauenquote von 100 Prozent im Nationalrat! Gut, die Obwaldner haben nur einen Sitz. Aber sie vergaben ihn an Monika Rüegger-Hurschler (51) von der SVP. Auffällig ist der zweite Platz: Sieben Sitze hat der Kanton Basel-Landschaft zu vergeben, fünf davon gehen an Frauen. Eine geballte Ladung Testosteron gibt es aus dem Wallis: acht Sitze, acht Männer – ein echter Macho-Kanton!

Sie lieben es traditionell

Auch nach der grünen Welle ist das Parlament in einer Frage sehr traditionell unterwegs: Von 191 Gewählten, die eine Angabe zum Zivilstand gemacht haben, sind 116 verheiratet – und zwei weitere leben in eingetragener Partnerschaft, was ja auch eine Sehnsucht nach Tradition ausdrückt. 25 Nationalräte leben im Konkubinat, während 34 den passenden Deckel noch nicht gefunden haben. Aber vielleicht wartet der ja unter der Bundeshauskuppel.

Arbeiter sucht man bei der SP vergebens

Ist der einfache Mann oder die einfache Frau in Bundesbern vertreten? Schaut man sich die Bildungsabschlüsse der Parlamentarier an, kommen einem Zweifel. Von den 115 Nationalräten, die dazu Auskunft gaben, haben 75 Prozent einen Uni- oder Fachhochschulabschluss in der Tasche. Die Berufslehre kennen nur gerade sieben Politiker aus eigener Erfahrung. Auch in der ehemaligen Arbeiterpartei, der SP, sucht man die Arbeiterschaft vergeblich: Über die Hälfte der Sozialdemokraten studierte an der Uni.

Oh Gott, die Protestanten kommen!

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Natürlich ist er katholisch: CVP-Präsident und Nationalrat Gerhard Pfister.
Foto: Keystone

Protestieren können sie: wahlweise gegen den politischen Gegner oder in der Kirche. Ein Grossteil der Nationalräte ist nämlich evangelisch-reformiert. Mit 34 Mitgliedern schlagen die Reformierten die Römisch-Katholischen mit 31 Mitgliedern im neuen Nationalrat. Juden oder Muslime sucht man vergebens. Doch insgesamt hat nur etwa die Hälfte aller Parlamentarier die Frage nach der Konfession überhaupt beantwortet. Fürchten sich die Politiker vor dieser Beichte etwa?

Snusen in der Achterbahn

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Die Hobbys von Lukas Reimann (SVP): Snus und Damenhandball.
Foto: zvg

Wandern, Lesen, Skifahren – die Hobbys unserer Nationalräte sind wenig originell. Hornusst denn niemand mehr? Immerhin: Jassen haben noch neun Nationalräte angegeben. Doch es gibt auch jene, deren Hobbys überraschen: Ex-GLP-Chef Martin Bäumle (55) fährt gerne Töff. Weil das nicht CO2-neutral ist, verfahre er aber «maximal 200 Liter pro Jahr». Lukas Reimann (37, SVP) hingegen interessiert sich für Snus (Tabakpäckchen, die man zwischen Lippe und Zahnfleisch packt) und Damenhandball. Ob nacheinander oder gleichzeitig, ist nicht bekannt. Priska Seiler Graf (51, SP) wiederum fährt gerne Achterbahn. Wahrscheinlich bereitet sich die Sicherheitspolitikerin damit auf die Turbulenzen bei der Kampfjetbeschaffung vor. Und Albert Vitali (64, FDP) schliesslich züchtet Kaninchen. Warum die flauschigen Häsli nicht aufs Wahlplakat durften, ist unklar. Vielleicht sind sie schon auf dem Teller gelandet.

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