186'000 Angestellte sind älter als 65 – und es werden immer mehr
Der Ruhestand kann warten

Mit 65 Jahren in Pension? Für viele Schweizer ist heute klar: Wir arbeiten weiter. Die Gründe dafür sind verschieden. BLICK hat mit Rentnern gesprochen, die ihren Ruhestand aufgeschoben haben.
Publiziert: 16.02.2017 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 03:24 Uhr
Marlen und Gottlieb Brunner (beide 81) führen einen Modellbahn-Laden in Arbon TG. Sie schliessen ihr Geschäft jeden Tag wieder gerne auf.
Foto: Toini Lindroos
Marlene Kovacs, Myrte Müller, Guido Schätti, Jessica von Duehren

Eigentlich könnten sie schon lange ihren Ruhestand geniessen. Trotzdem arbeiten viele Schweizer Rentner munter weiter. Die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen: 186'000 Angestellte sind heute 65 oder älter – im Jahr 2000 waren es gerade einmal 103'000. 

Zwar gibt es heute auch mehr Erwerbstätige als vor 17 Jahren. Aber die Zahl der berufstätigen Rentner ist mehr als doppelt so stark gestiegen. «Beinahe ein Drittel der Personen, die das ordentliche Pensionierungsalter erreicht haben, stehen heute noch mit einem Bein im Berufsleben», sagt Fredy Greuter vom Schweizerischen Arbeitgeberverband.

Viele dürfen nicht weiterarbeiten

Diesen Trend beobachtet auch Altersforscher François Höpflinger (68): «Vor allem gebildete Pensionäre sind gefragt. Sie arbeiten häufig als Berater.» Was den Senior neben seinen Erfahrungen und Kontakten attraktiv mache, sei seine Flexibilität in der Arbeitszeit. Nur 23 Prozent lassen sich nach dem offiziellen Ruhestand noch Vollzeit anstellen. 

Kritischer sieht das Thomas Zimmermann (46), Sprecher des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). Er sagt: «Die Mehrheit der Angestellten hat keine Möglichkeit, über 65 hinaus zu arbeiten. Die meisten sind schon froh, wenn sie bis 65 eine Stelle haben.»

Vertrauensverlust in die Wirtschaft

Zimmermann hat nicht den Eindruck, dass die Bereitschaft der Arbeitgeber gestiegen ist, ältere Arbeitnehmer möglichst lange zu beschäftigen: «Im Gegenteil. Der Konsens, dass man keine älteren Mitarbeiter auf die Strasse stellt, ist in den vergangenen Jahren zerbrochen. Das ist einer der Gründe für den Vertrauensverlust in die Wirtschaft.»

Dass in dieser Hinsicht Verbesserungsbedarf besteht, weiss der Arbeitgeberverband. «Letztes Jahr gab es erstmals mehr Pensionierungen als frisch ausgebildete Arbeitskräfte. Diese Lücke wird sich in den nächsten Jahren vergrössern», sagt Greuter. Deshalb werde man in Zukunft mehr Leute sehen, die auch nach 65 noch eine interessante Beschäftigung finden könnten. «Die Unternehmen müssen sich vermehrt als attraktiver Arbeitgeber um die Arbeitskräfte kümmern. Jene, die auch Rentnern etwas anbieten, werden die Gewinner sein», ist sich Greuter sicher.

Nur Experten kommen weiter

Geht es darum, das Know-how älterer Arbeitnehmer in der Firma zu halten, gehört ABB zu den Vorreitern. Zusammen mit den Konzernen GE und Bombardier betreibt ABB die Firma Consenec. Die Manager dieser Firmen wechseln mit 60 Jahren zu Consenec, einem Expertenpool, der den Trägerfirmen und weiteren Unternehmen für Beratung und Interimseinsätze zur Verfügung steht. Das Modell steht allerdings nur Topmanagern offen. ABB arbeitet daran, einen Expertenpool mit Angestellten auf tieferen Hierarchiestufen aufzubauen.

Für Gewerkschafter Zimmermann liegt genau hier das Problem: Über die Pension hinaus arbeiten meist die Privilegierten. «Bei den Beispielen von Personen in den Medien, die über 65 hinaus arbeiten, handelt es sich oft um selbständig Erwerbende, die ihre Zeit selber einteilen können», sagt Zimmermann. Beispiele normaler Angestellten seien die Ausnahme.

Aber warum arbeiten so viele Schweizer weiter? BLICK fragte drei Rentner, die auch nach ihrer Pensionierung nicht ans Aufhören denken – die Gründe sind bei allen verschieden (Lesen Sie hier:

«Wir wollen weiterarbeiten»

)

AHV für alle ab 65

Bern – Mit der Rentenreform, die das Parlament aktuell berät, soll für die AHV und die berufliche Vorsorge für Frauen und Männer das gleiche Referenzalter von 65 Jahren eingeführt werden. Der Zeitpunkt der Pensionierung soll zwischen 62 und 70 Jahren frei wählbar sein. Die Möglichkeit, die Renten nicht nur ganz, sondern auch teilweise beziehen zu können, würde eine gleitende Pensionierung erlauben. Bis zum Zeitpunkt, an dem die ganze AHV-Rente bezogen wird, kann diese mit weiteren Beiträgen bis zum Erreichen der Maximalrente aufgebessert werden.

Bern – Mit der Rentenreform, die das Parlament aktuell berät, soll für die AHV und die berufliche Vorsorge für Frauen und Männer das gleiche Referenzalter von 65 Jahren eingeführt werden. Der Zeitpunkt der Pensionierung soll zwischen 62 und 70 Jahren frei wählbar sein. Die Möglichkeit, die Renten nicht nur ganz, sondern auch teilweise beziehen zu können, würde eine gleitende Pensionierung erlauben. Bis zum Zeitpunkt, an dem die ganze AHV-Rente bezogen wird, kann diese mit weiteren Beiträgen bis zum Erreichen der Maximalrente aufgebessert werden.

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