Am Donnerstag lässt sich die Schweiz selber hochleben. Im Zentrum der Bundesfeier auf dem Rütli wird der Dialog zwischen Stadt und Land stehen: Es geht um die Frage, wie die urbane und die ländliche Schweiz wieder zusammenfinden können – und damit auch um die Zukunft der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), die seit Jahrzehnten die Festlichkeiten auf der Nationalwiese organisiert.
Die SGG steht in der Kritik. Ihr wird vorgeworfen, sie habe ideologische Schlagseite, sei zu progressiv und zu links. Monatelang tobte in der Organisation ein wüster Machtkampf. Ein Putschversuch von rechts misslang, dennoch trat SGG-Präsident Nicola Forster (39), der im letzten Herbst für die GLP in den Nationalrat wollte, im Juni zurück.
Gegen die «Geiz ist geil»-Mentalität
Der neue Präsident, Anders Stokholm (58), will nun die Reihen schliessen. Zu Blick sagt er: «Die SGG hat in ihren Statuten die Unabhängigkeit festgeschrieben, versteht sich also weder als links noch als rechts.» Sein Einsatz gelte der Gemeinnützigkeit, so der freisinnige Stadtpräsident von Frauenfeld TG. Die nämlich komme gerade in Zeiten, in denen «Geiz ist geil»-Mentalität und Eigennutz für viele im Vordergrund stehen, stark unter Druck. Als Gegenmittel empfiehlt Stokholm etwa die «Lasst uns reden»-Aktion, ein Dialog-Format der SGG, das seit zwei Jahren Andersdenkende ins Gespräch bringt.
Obwohl nun ein Bürgerlicher die Geschicke der SGG lenkt, tobt der Machtkampf ums Rütli im Hintergrund weiter. In einer ihrer nächsten Sitzungen muss sich die Staatspolitische Kommission des Ständerats im August mit einer Motion auseinandersetzen, die dem Bund die Verwaltung der Rütliwiese unterstellen will. Der Nationalrat sagte bereits Ja zum Vorstoss, den der Zuger SVP-Nationalrat Thomas Aeschi (45) eingereicht hat.
Brisantes Mandat
Dem Vernehmen nach geniesst sein Anliegen auch in der kleinen Kammer grosse Sympathien. Eine Mitte-Vertreterin zu Blick: «Das Rütli gehört allen, also ergibt es Sinn, wenn der Bund die Hoheit darüber erhält.» Ähnlich tönt es aus der FDP-Fraktion: «Dass die Eidgenossenschaft diese Wiese verwalten soll, klingt nach einem vernünftigen Vorschlag.»
Dass eine Mehrheit für Aeschis Motion auch im Ständerat denkbar ist, hat die SGG aufgeschreckt. Nun weibelt die Agentur Farner im Bundeshaus gegen den Plan. Brisant: Der PR-Profi (und ehemalige SonntagsBlick-Chefredaktor) Martin Hofer, der mit der Aufgabe betraut ist, amtet auch im Vorstand der SGG. Dazu Neo-Präsident Anders Stokholm: «Wir wollen verstehen, wie es zum Entscheid des Nationalrats kam – um darauf aufbauend das Gespräch mit dem Ständerat zu führen.»
Juristisch heikle Aktion
Jürg Kállay wiederum, Gründer und Chef des Vermögensverwalters Swissprivate, der bis zu seinem Rauswurf vor einem Jahr für die Finanzen der SGG verantwortlich war, versucht gegen diese Lobby-Aktivitäten anzukämpfen. In persönlichen Gesprächen will Kállay Politikerinnen und Politiker überzeugen, Aeschis Motion zuzustimmen. Es dürfe nicht sein, sagt er, dass eine private Organisation das Rütli verwaltet, das eigentlich für alle da sein sollte.
1860 hat die SGG das Rütli dem Bund geschenkt. Ihr mehr als 160 Jahr später den Stecker zu ziehen, wäre juristisch heikel. In der antiken Urkunde legt bereits der erste Artikel fest, dass die SGG das Rütli verwaltet – unter der Oberaufsicht des Bundesrats. Dennoch ist Motionär Aeschi zuversichtlich, dass das kein Hinderungsgrund sein müsse: «Der Bundesrat hat Gesprächsbereitschaft signalisiert, um eine einvernehmliche Lösung auszuloten.»
Sicher ist: Auch wenn das 1.-August-Feuerwerk längst abgebrannt ist, wird der Lärm um die SGG nicht sein Ende gefunden haben.