Sie kann alles. Das Mädchen, das unter der Brücke schläft. Die Verführerin. Die prüde Schuldirektorin. Und für eine ihrer letzten Rollen lernte sie Lastwagen fahren. «Das mache ich sogar ziemlich gut und erst noch mit 13 Gängen!» Juliette Binoche (56) trägt einen blauen glänzenden Smoking, ihr Gesicht ist noch genauso schön, wie man es aus ihren ersten Filmen kennt.
«La Binoche» gilt nicht nur als Ikone des französischen Films, auch Hollywood liegt ihr zu Füssen. Jetzt ist sie in Zürich. Nun gesellt sich zu ihrem Oscar, César und den vielen anderen Auszeichnungen ein goldenes Auge. Das Zurich Film Festival zeichnet sie mit dem Golden Icon Award aus. Mit dabei hat sie ihre aktuelle Komödie «La bonne épouse», die ab dem 29. Oktober hier im Kino anläuft.
Ihr Rezept für die Liebe: Nichts erwarten und alles geben
Aber was macht eine «gute Ehefrau» aus? Die Schauspielerin ist zweifache Mutter, war aber nie verheiratet. Sie überlegt gründlich, bevor sie in die Runde der Journalisten antwortet: «Ehrlich zu sich selber sein. Das gilt für Frauen genauso wie für Männer. Meine Philosophie für eine Beziehung ist, nichts zu erwarten und so viel wie möglich zu geben. Das ist schwierig genug.»
Wichtig ist Binoche die Botschaft des aktuellen Films, in dem sie als gestrenge Direktorin eines Mädcheninternats mit dem aufkeimenden Feminismus der 1968er konfrontiert wird. «Der Film zeigt, wo wir Frauen herkommen. Ich habe als junges Mädchen miterlebt, wie meine Mutter sich aus diesem Gefängnis befreien musste.» Binoche nutzt ihre Bekanntheit für ihr Engagement. Dieses gilt ganz der Umwelt. Kürzlich reiste sie mit einer Delegation zum Papst, um sich für den Schutz der Wälder starkzumachen. «Wir erleben eine Zeit der Umwälzungen. Statt nur an unser kleines Leben zu denken, an unsere Stadt und unser Land, müssen wir uns bewusst werden, was auf der anderen Seite des Planeten vor sich geht.»
Die Sehnsucht, der Welt den Rücken zu kehren
Derzeit plant die Schauspielerin einen Dokumentarfilm, der die Zusammenhänge der globalen Abholzung, des Artensterbens und der Pandemie aufzeigt. Den Lockdown hat Binoche jedoch positiv erlebt, noch nie hat sie so viel Zeit daheim mit ihrer Familie verbracht. «Ich habe es ehrlich gesagt einfach genossen, ich habe viel gelesen, für meine Kinder gekocht und kümmerte mich um meine Mutter. Sonst war niemand da, um ihr zu helfen, meine Schwester hatte Angst. Wir sind uns dadurch nähergekommen.»
Binoche ist berühmt dafür, einen Film nach dem anderen zu drehen, die auferlegte Pause war gut für sie. «Meine Tochter erinnerte mich daran, besser auf mich achtzugeben.» Das habe sie nachdenklich gemacht. «Manchmal packt mich die Sehnsucht, die Welt hinter mir zu lassen und mich auf dem Land zu verkriechen.» Aber dafür liebt sie ihren Beruf viel zu sehr. «Beim Schauspielern kann ich mich selber vergessen, und wenn man das gemeinsam tun kann, ist es umso schöner.»
Überzeugt von der Kraft des Glaubens
Zum Schluss wird die Actrice noch nach der wichtigsten Begegnung in ihrem Leben gefragt. «Die mit meinem Engel!», kommt es prompt und ohne Wimpernzucken. «Weil er oder sie immer bei mir ist.» Binoche ist von der Kraft des Glaubens überzeugt. «Wenn man um etwas bittet, schafft man Raum für eine immense Kreativität, das hilft mir beim Schauspielern.»