Zum Tod von Peter Wetzel alias Spidi
Ist die Zeit der kleinen Clowns vorbei?

Vorletzte Woche hat sich Peter Wetzel alias Clown Spidi 51-jährig in Aarau das Leben genommen. Sein überraschender und erschütternder Tod wirft ein Schlaglicht auf die Probleme von kleinwüchsigen Menschen in der Schweiz und weltweit.
Publiziert: 12.08.2018 um 02:58 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2018 um 12:07 Uhr
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Die Todesanzeige von Peter Wetzel alias Spidi.
Foto: zVg
Peter Padrutt und Jean-Claude Galli

In der Todesanzeige von Peter Wetzel (1966–2018) wird das berühmte Gedicht von Hermann Hesse (1877–1962) zitiert: «Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, jeder ist allein.» Vor zwei Wochen ist Wetzel alias Clown Spidi von uns gegangen. Er liebte es, sich zu schminken. Zehn Minuten brauchte er dafür – die Augenlider und die Unterlippe weiss, dazu einen Klacks Rot auf Nase und die Wangen.

«Es ist nicht leicht, in unserer Grösse auszuharren. Human bleiben ohne äusseres Wachstum, welch eine Aufgabe, welch ein Beruf!», sagt ein ebenfalls kleinwüchsiger Mann in der «Blechtrommel» zum Romanhelden Oskar Matzerath. Viele Kleinwüchsige haben die schwierige Aufgabe gemeistert, andere sind gescheitert.

Schwere gesundheitliche Probleme

Diesen April starb der US-Schauspieler Verne Troyer mit erst 49 Jahren. Bekannt wurde er durch die «Austin Powers»-Filme. Noch bewegender war das Ableben von Hervé Villechaize, der sich 1993 – auch erst 50-jährig –  erschoss. Als «Schnick Schnack» im Bond-Film «Der Mann mit dem goldenen Colt» wurde er zum Star. Er litt an schweren gesundheitlichen Problemen und konnte zuletzt nur noch kniend schlafen.

Dass das Leben für Menschen mit geringer Körpergrösse nicht einfach ist, weiss auch René Vollmer vom Verein Kleinwüchsiger Menschen (VKM) in der Schweiz. «Viele von uns leiden an Rückenproblemen, die in die Hüfte ausstrahlen.» Peter Wetzels Mutter Agnes Wetzel (76) schilderte diese Woche im BLICK, dass auch ihr Sohn unter solchen Schmerzen litt, sich aber nicht operieren lassen wollte.

«Die Zeit ist vorbei»

Vollmer unterhielt sich oft mit Spidi. Er habe sich überzeugen können, dass er im Zirkus gut aufgehoben war. Dennoch meint er: «Ich bin überzeugt, dass es nie mehr einen kleinwüchsigen Clown im Knie geben wird. Die Zeit ist vorbei. Das ahnte man vermutlich auch schon, aber man spürte halt, dass er seinen Job gern machte.»

Tatsächlich war der 1,28 Meter grosse Peter Wetzel ein Kind der Manege. Schon als Zehnjähriger tourte er mit seinen Eltern mit dem Circus Nock. Sein Vater, von normaler Körpergrösse, kümmerte sich um die Montage, seine kleinwüchsige Mutter war Köchin. Die Kleinste der Familie war seine Schwester Irene mit 1,18 Metern. Sie hatte schon als Siebenjährige eine eigene Schlangenshow. Mutter und Tochter hatten sich im Verein der Kleinwüchsigen engagiert. Sohn Peter liebte den Zirkus wohl zu fest – er hielt sich aus dem Verein zurück.

Die Zeiten sind besser geworden

Klar ist: Die Zeiten sind besser geworden. Kleinwüchsige Menschen als Kuriositäten auf Jahrmärkten oder skandalöse Veranstaltungen wie «Zwergewerfen» gehören der Vergangenheit an. Der Verein der Kleinwüchsigen schreibt auf seiner Homepage klar: «Wir vermitteln keine Kleinwüchsigen für Film, Fernsehen, Theater, Events oder Shows.» Kleinwuchs, so betont Vollmer, sei komplex – und mit Unterhaltungszwecken eigentlich nicht vereinbar. Etwa 4000 kleine Menschen gibt es in der Schweiz – ihr Aussehen variiert. Bei Menschen wie Spidi ist der Brustbereich normal geformt, die Extremitäten sind aber verkürzt. Zahlreiche Ursachen sind inzwischen für Kleinwuchs bekannt. Fortschritte in der Gentechnik führen dazu, dass es gewisse Formen nicht mehr gibt. Betroffene stehen dieser Entwicklung aber skeptisch gegenüber.

Peter Wetzels Liebe zum Zirkus war zeitlebens tief. Und er hat damit unzähligen Menschen Freude beschert. «Aber vielleicht kann sein trauriger Tod auch helfen, Menschen in unserem Land für unsere Probleme zu sensibilisieren», sagt Vollmer. «Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt», hat Hermann Hesse im Gedicht geschrieben.

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