Auf einen Blick
Das neue Jahr beginnt mit einem Streit. Einem Beef, wie man im Hip-Hop sagt. Befeuert hat ihn die erfolgreiche Luzerner Rapperin Loredana. Die 29-Jährige hat nach langer Pause ihren Track «Surprise» veröffentlicht, der allein auf Spotify innert Tagen fast anderthalb Millionen Streams erreichte. Mit happigen Zeilen wie «Nein, ich zieh mich immer noch nicht aus für die Klicks», «Für mich ist Rap kein Botox, dicker Arsch oder Busen» und «Ihr macht auf feministisch, aber nennt euch Bitches … Sorry, das macht kein’n Sinn». Der ultimative Punch: «Sie geht mit jedem Dreck auf die Eins.»
Sofort ist klar: Das ist eine Abrechnung mit ihren Konkurrentinnen. Allen voran mit Shirin David, 29 Jahre alt, die vergangenen Sommer mit «Bauch, Beine, Po» auf Platz eins der deutschen und auf drei der Schweizer Charts landete. Sie steht öffentlich zu ihren Schönheitsoperationen.
Begonnen hat der Beef 2019. Loredana sagte in einem Interview über David: «Das ist gar nicht mein Geschmack, was sie macht.» Sie, Loredana, wolle mit ihrer Musik ankommen. «Ich will nicht, dass du mich anguckst mit anderen Augen.» Shirin David postete zuletzt in den sozialen Medien den Ausschnitt eines unveröffentlichten Tracks, in dem sie gegen die Luzernerin rappt: «Du bist nicht wie andere Mädchen, willst nichts über Schminke hören.» Loredana sei ein «Pick-Me-Girl» – eine Frau, die sich auf Kosten anderer Frauen bei Männern beliebt machen will. Was beide eint: Sie behaupten, die bessere Feministin zu sein.
Wahrscheinlich steckt Kalkül dahinter
Der Streit zieht in diesen Tagen immer weitere Kreise. Etablierte Medienhäuser, darunter das Feuilleton der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», greifen ihn auf. Und die sozialen Medien sind voller Videos von Fans, Hatern, selbst ernannten Expertinnen, die sich je auf eine Seite schlagen. Das ist selten. Und Anlass, um genauer hinzuschauen. Die beiden Frauen gehören zu den erfolgreichsten Musikerinnen Deutschlands. Nie zuvor haben es Frauen im deutschen Hip-Hop so weit gebracht. Warum der Beef? Zwei Expertinnen haben Antworten: die deutsche Rap-Forscherin Heidi Süss und die SRF-Virus-Moderatorin Mira Weingart.
Heidi Süss ist Mediensoziologin der Universität Trier, leitet das Berliner Institut für Popkultur- und Rap-Forschung und sagt: «Es ist ein raptypischer Gestus, dass man Welle macht.» Loredana sei wohl bewusst gewesen, dass die Öffentlichkeit ihre Anspielungen aufgreifen würde. Sie hat vor kurzem ihre Autobiografie herausgebracht, bereitet sich offenbar (deshalb der neue Track) aufs nächste Album vor. Der Beef, ihr neuster Beitrag dazu, könnte ein PR-Vehikel sein. Laut Süss zeigt das: «Rapperinnen sind im Mainstream angekommen.»
Hip-Hop war vor zwanzig Jahren noch eine Nische. Und eine reine Männer-Domäne, heterosexuell und machohaft. «Das bröckelt», so die Mediensoziologin. Loredana und Shirin David gehören zu einer neuen Generation von Rapperinnen. Sie sind Unternehmerinnen, die neben der Musik auch eigene Produkte auf den Markt werfen – bei Shirin David sind es Eistee, Parfüms und Kosmetikartikel. Sie verdienen Millionen. Sie sind Influencerinnen. Und sie werden als Künstlerinnen ernst genommen. David war vergangenes Jahr Headlinerin des Hip-Hop-Festivals Splash! – als erste Frau überhaupt. All das ist laut der Soziologin Süss ein neues Phänomen.
Grabenkampf um Feminismus
Alt sind die Mittel. Der Beef, der musikalische Schlagabtausch, Diss-Tracks wie «Surprise» von Loredana, gab es im Hip-Hop von Anfang an. In den Achtzigerjahren bekämpften sich in den USA Kool Moe Dee und LL Cool J oder N.W.A. und Ice Cube. Die legendäre Schlacht zwischen Christopher Wallace alias The Notorious B.I.G. und Tupac Shakur in den Neunzigerjahren endete in der Ermordung der beiden. Harmloser ist der letztjährige grosse Beef zwischen den Hip-Hop-Giganten Kendrick Lamar und Drake, der ihren Diss-Tracks Millionen Streams und viel, viel Presse einbrachte.
Gemeinsam ist allen: der Wettbewerb. Der Wille, im Milliardenbusiness Hip-Hop die Konkurrenz auszustechen. Der Grösste zu sein. Bei Loredana und Shirin David passiert das über den Feminismus. David bezeichnete sich mehrmals als Feministin und stellte klar: Das schliesst Schönheitsoperationen nicht aus. Mit dem Song «Lächel doch mal», wie es zuhauf Frauen schon zu hören bekommen haben, zeigt sie Flagge. Loredana taufte ihr erstes Album «King Lori» und sagte 2022: «Man ist Feministin, wenn man sich mit anderer Kraft als Schminken, Gut-Aussehen, Titten und Arsch starkmacht.» Doch kürzlich sorgte sie für einen Shitstorm, als sie in einem Interview behauptete: «Frauen haben mehr Rechte als Männer, und das ist nicht okay.» Sie werde das ändern – «ich schwör».
Heidi Süss bezeichnet das als feministischen Grabenkampf, der «bedauernswert» sei. «Loredana bedient antifeministische Narrative, die sich auch im Rechtspopulismus finden.»
Szenekennerin Mira Weingart hat gemischte Gefühle. Die SRF-Virus-Moderatorin, die durch einige Hip-Hop-Festivals geführt hat, sagt: «Wenn man will, dass Rapperinnen und Rapper auf Augenhöhe sind, gehören Frauenbeefs dazu.» Doch auch sie bedauert das gegenseitige Zerfleischen. Es gebe nur wenige Frauen, die es in die Champions League des Deutschraps schafften.
In der Schweiz undenkbar
In der Schweiz ist das alles undenkbar. Der Markt ist viel zu klein. Und zu schweizerisch. Weingart sagt: «Wir sind eher angepasst, rümpfen die Nase, wenn es Beef gibt.» Tatsächlich wollte sich keine der neun Schweizer Rapperinnen, die der SonntagsBlick angefragt hat, zum Streit äussern. Immerhin gab es am «Bounce Cypher», dem alljährlichen Live-Rap-Event von SRF, schon Diss-Tracks. 2022 teilte die eher unbekannte Rap-Gruppe Hatepop gegen die etablierten Schweizer Rapper Tommy Vercetti und Manillio aus. Diese schlugen im nächsten Jahr zurück. Und so fort. Weitere Folgen gab es nicht.
Anders bei Loredana und Shirin David. Der Beef dreht weiter. Deutschrap-Stars wie Farid Bang und Samra sind neuerdings Team Loredana. Und diese arbeitet nun an einem gemeinsamen Track mit der Rapperin Schwesta Ewa, die sich auch auf ihre Seite geschlagen hat. Vielleicht steigen noch mehr Frauen ein. Vielleicht folgt jetzt der Frontenkrieg der Rapperinnen.
Beim Blick Live Quiz spielst du dienstags und donnerstags (ab 19.30 Uhr) um bis zu 1'000 Franken aus dem Jackpot. Mitmachen ist ganz einfach. Du brauchst dazu lediglich ein iPhone oder ein Android-Handy.
- Suche im App-Store (für iOS) oder im Google Play Store (für Android) nach «Blick Live Quiz».
- Lade die «Blick Live Quiz»-App kostenlos runter und registriere dich.
- Wichtig: Aktiviere die Pushnachrichten, sodass du keine Sendung verpasst.
- Jetzt kannst du dein Wissen mit anderen Usern und Userinnen messen.
Beim Blick Live Quiz spielst du dienstags und donnerstags (ab 19.30 Uhr) um bis zu 1'000 Franken aus dem Jackpot. Mitmachen ist ganz einfach. Du brauchst dazu lediglich ein iPhone oder ein Android-Handy.
- Suche im App-Store (für iOS) oder im Google Play Store (für Android) nach «Blick Live Quiz».
- Lade die «Blick Live Quiz»-App kostenlos runter und registriere dich.
- Wichtig: Aktiviere die Pushnachrichten, sodass du keine Sendung verpasst.
- Jetzt kannst du dein Wissen mit anderen Usern und Userinnen messen.