Yoko Ono wird 85 – Beatles-Fans nennen sie «Die Hexe»
Böse Witwen leben länger

Yoko Ono wird 85. Die Lennon-Witwe gilt als Paradebeispiel für Frauen, die den Ruhm ihres Gatten nach dessen Ableben für ihren Profit nutzen.
Publiziert: 17.02.2018 um 23:43 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:35 Uhr
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«Hier komm ich!» Yoko Ono ist eine gefragte Künstlerin und ständig unterwegs.
Foto: Getty Images
Jean-Claude Galli

Heute Sonntag feiert Yoko Ono ihren 85. Geburtstag. Viele Glückwunschkarten und Sträusse wird die Witwe von John Lennon (†40) nicht erhalten. Ihre Art, das Erbe ihres am 8. Dezember 1980 ermordeten Ehemanns zu bewahren, stösst auf Ablehnung bis Hass. Viele Anhänger machen sie in einer Art Onophobie immer noch für die Auflösung der erfolgreichsten Band der Musikgeschichte verantwortlich und nennen sie unverblümt «Die Hexe».

Der grundsätzliche Vorwurf: Egomanische Frau schnappt sich berühmten Mann, um sich in seinem Glanz zu sonnen und schreckt dabei vor keiner Peinlichkeit zurück. Jüngste Belege: Ono drohte 2017 dem Betreiber der Hamburger Bar Yoko Mono mit rechtlichen Schritten, sollte er den Namen nicht ändern. Ebenso einer polnischen Firma mit dem Tafelgetränk John Lemon. Selbst die beiden Schweizer Dino Semadeni und Yannick Keller, die das Produkt importieren wollten, erhielten Post von Onos Anwälten (BLICK berichtete).

Alice Hofer – die «Yoko Ono vom Thunersee»

Beispiele für dieses angebliche Rollenmodell gibt es haufenweise. Courtney Love (53), Witwe von Grunge-Ikone Kurt Cobain (†27), wird bis heute beschimpft und beschuldigt, für den Suizid ihres Mannes 1994 verantwortlich zu sein. T-Shirts mit der Aufschrift «Courtney did it!» zeugen davon.

Alice Hofer, Witwe von Mundartrocker Polo Hofer, kreiert Urnen und Särge. Hier ist sie mit Polo und ihrer Lieblingsurne aus einem Birkenstamm zu sehen. Das Bild entstand im August 2012.
Foto: SonntagsBlick

Alice Hofer (55), Witwe von Mundartrock-Erfinder Polo Hofer (1945–2017), wird hinter vorgehaltener Hand regelmässig als «Yoko Ono vom Thunersee» tituliert. Sie habe eine öffentliche Trauerfeier verhindert und torpediere verschiedene Projekte, die eine würdige Erinnerung an Polo National zum Ziel hätten, wird ihr wiederholt vorgeworfen.

Schlagzeilenträchtig waren die diesbezüglichen Aktivitäten von Charlotte Kerr (1927–2011), Witwe des Berner Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt (1921–1990), die ihre Ehe zwei Jahre nach seinem Tod in einem Buch zu vermarkten versuchte. «Die Frau im roten Mantel» wurde verrissen, «Dichterwitwen sind die Salmonellen des Literaturbetriebs», schrieb «Der Spiegel».

In eindrücklicher Erinnerung geblieben sind auch die erbitterten Rechtshändel, die Eliette von Karajan (78), Witwe des Stardirigenten Herbert von Karajan (1908–1989) und früheres Dior-Model, im Kampf um das Erbe ihres Mannes führte.

Der aktuellste Fall schliesslich ist derjenige von Johnny Hallyday (1943–2017) und seiner Witwe Laeticia (42), die der Rockstar als Alleinerbin einsetzte. Sohn David (51) und Tochter Laura (34) gehen leer aus. Ein Gericht muss nun klären, ob das Testament gültig ist. Der Streit beschäftigt ganz Frankreich.

Standesgemässer Auftritt: Rockstar Johnny Hallyday mit seiner Leticia.
Foto: AP Photo

Die Todsünde namens Neid

Das Schema hat also viele Gesichter. Angetrieben wird es hauptsächlich von einer Charaktereigenschaft, die nach theologischem Verständnis zu den sieben Todsünden zählt: Invidia, der Neid, oft auch mit ­Eifersucht oder Missgunst umschrieben. Während sich die Fans gegenseitig in der Liebe zu ihrem Idol bestärken, sehen sie in der Partnerin ihres Lieblings einen Feind und eine Bedrohung.

Untereinander akzeptieren sie ihre heissblütigen Schwärmereien, weil sie sich auf einer ähnlichen Ebene bewegen und wissen, dass sie ihrem Helden nie wirklich näherkommen werden. Einer Ehefrau oder Freundin hingegen wird diese Nähe übel genommen, weil sie über andere Mittel verfügt, mit denen sie sich ins Herz des Helden geschlichen hat. Talente und Eigenleistungen werden diesen Frauen a priori abgesprochen, sie werden auf den Status «Partnerin von» reduziert.

Eva, der Apfel und die Schlange

Starkes Gewicht hat in diesem Zusammenhang eine latente Frauenfeindlichkeit. Fast ausschliesslich Frauen geraten, wie die Beispiele zeigen, ins Visier der erzürnten Fans. Basierend auf einem antiquierten Weltbild, das Frauen weniger Wert einräumt und sie in die Ecke der Verführerin und Einschleicherin stellt, Eva, der Apfel und die Schlange lassen grüssen.

Da nützt es nichts, dass Paul McCartney (75) bereits kurz nach dem Auseinanderbrechen der Beatles in Interviews mehrfach betonte: «Yoko hat die Gruppe mit Sicherheit nicht auseinanderbrechen lassen, die Gruppe ist selbst auseinandergebrochen.» Selbst Umstände wie der Fakt, dass Ono bereits vor ihrer Liaison mit Lennon eine anerkannte Künstlerin war, fallen ins Leere.

Dürrenmatts letzter Streich?

Friedrich Dürrenmatt, Berner Schriftsteller von Weltruf, mit seiner zweiten Frau Charlotte Kerr.
Foto: ZVG

Menschen mit einer Aversion gegenüber Künstlerwitwen ergötzen sich viel lieber an jener Geschichte, die «Die Zeit» 2012 ­publik machte: Nicht ahnend, dass die Asche von Dürrenmatts erster Frau Lotti schon unter der markanten Trauerbuche ruhte, erkor Charlotte Kerr diesen Baum zu seiner letzten Ruhestätte.

Und auf ihren Wunsch wurde schliesslich auch ihre Asche darunter begraben. Ohne dass sie gewusst hätte, dass sie das Grab mit Lotti teilen würde. Der letzte Geniestreich des Monumental-Schriftstellers aus Konolfingen? Wir werden es nie wissen.

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