BLICK: 40 Jahre stehen Sie mit BAP schon auf der Bühne. Haben Sie damit gerechnet, dass Sie es so lange durchziehen?
Wolfgang Niedecken: Nein. Diese 40 Jahre sind wie im Flug vergangen. Zum Glück habe ich dazwischen ein paar Jahre lang vergessen, dass der Erfolg irgendwann auch vorbei sein könnte. Das erleichtert das Leben ungemein. Denn wenn man ständig denkt, dass man richtig ackern muss, um die Familie ernähren zu können, kann einen das lähmen.
Ihr Fazit nach diesen vier Jahrzehnten?
Rock ’n’ Roll ist zum Glück nicht mehr nur der Soundtrack für die Jugend. Jung und Alt hören heute Rock ’n’ Roll. Und das ist sehr bewegend.
Wann fühlen Sie sich zu alt für Rock ’n’ Roll?
Zuletzt vor zwei Jahren, als ich einen Bandscheibenvorfall hatte und einen Monat lang nicht wusste, wie ich morgens aus dem Bett kommen soll.
Was halten Sie von den sozialen Medien?
Man muss aufpassen, dass sie nicht irgendwann zu den asozialen Medien werden. Ich spiele das Spiel mit, allerdings nach meinen eigenen Regeln. Ich schreibe nicht nach jedem Konzert auf Facebook: «Danke, Bochum, das war super!» Anbiederung kann ich auf den Tod nicht leiden. Auf unserer Homepage gibts das «Logbuch», und da schreibe ich rein, was für mich erwähnenswert ist.
Schon mal bereut, Anfang der 80er-Jahre den Hit «Verdamp lang her» geschrieben zu haben?
Nein, nie! Gott sei Dank ist es ein gutes Lied. Das Einzige, was mich manchmal stört: Fast jede Fernsehsendung fängt damit an. Es ist so, als würde es nur dieses eine Lied geben.
Wann haben Sie Ihre letzte Zigarette geraucht?
Als ich 28 war! Damals arbeitete ich als Aushilfsgrafiker beim Fernsehen. Ich schuftete einen Tag und eine Nacht durch. Am nächsten Tag musste ich nochmals ran. Am Abend hatte ich dann einen Soloauftritt, worauf ich die Nacht durchsumpfte. Als ich mich nach diesen zwei Tagen und zwei Nächten schlafen legte, wars am nächsten Tag vorbei mit der Raucherei.
2011 hatten Sie einen Schlaganfall. Was ist heute anders?
Ich bin entschlossener. Ich habe keine Zeit mehr zu verlieren.
Richtig, dass dieser Schlaganfall heute nach Ihnen benannt ist?
Ja, unter Medizinern gibts jetzt den Casus Niedecken. Mein Schlaganfall kam nicht wegen Überlastung oder weil ich in einer Risikogruppe bin. Ich rauche nicht, trinke in Massen, treibe Sport ... Ich hatte damals
einen Dauerhusten, durch den sich eine kleine Wunde in der Halsschlagader bildete, und aus dieser Wunde stieg ein Gerinnsel nach oben ins Gehirn.
Ihre schlechteste Eigenschaft?
Ich habe zu viele Interessen. Wenn ich nicht aufpasse, neige ich dazu, mich zu verzetteln.
Ihr Lieblingswitz?
Was sagt ein Cowboy, der vom Friseur kommt? Pony weg!
Was ist das Schöne am Alter?
Die Gelassenheit. Ich springe heute nicht mehr so schnell auf den Tisch.
Was können Männer besser als Frauen?
Im Stehen pinkeln.
Ihre Hoffnung für Europa?
Dass wir endlich die Vereinigten Staaten von Europa werden, solidarisch und menschlich.
Ihre Horror-Vision?
Europa bricht auseinander, es werden wieder Zäune hochgezogen. Das birgt Potenzial für europäische Kriege.
Was wollten Sie nie sein?
Austauschbar.
Wen möchten Sie noch kennenlernen?
Die meisten meiner Helden durfte ich bereits kennenlernen, so zum Beispiel Bob Dylan oder Keith Richards. Paul McCartney würde ich noch gerne treffen. Der muss überhaupt keinem Menschen mehr etwas beweisen und ist trotzdem nahbar geblieben. Vielleicht schaffe ich das ja noch.
Wen hassen Sie?
Populisten. Und Schleimer.
Welche Menschen mögen Sie?
Solche, die sich bemühen, nicht zu verhärten. Solche, die anständig sind zu anderen. Und solche, die sich nicht verbiegen.
Wie lange machen Sie weiter?
So lange ich Spass habe und meine Gesundheit es zulässt. Ich fand B. B. King super, als er mit weit über 80 noch auf der Bühne stand.
Was macht Sie stolz?
Ich glaube, ich kann mit meinen Liedern sehr gut alt werden. Irgendein Ohrwurm kriecht mir immer noch durchs Hirn.