Eine fünf Meter breite, eiserne Treppenstufe, die Kreidezeichnung an der Stirnseite des Raumes und Fenster wie in einer Kathedrale. Das ist der neue Eleven Madison Park – ganz nach dem Geschmack des Schweizer Spitzenkochs Daniel Humm. Nachdem sein New Yorker Gourmet-Restaurant 2017 zum besten der Welt gekürt worden war, liess er es umbauen. Auch die Küche ist nun ganz im Humm-Style: ein lichter Raum aus Chromstahl, Glas und Hitze. Im Zentrum: ein weisser Herd der französischen Manufaktur Molteni, die in Handarbeit Küchenequipment produziert. Nur gerade zwei Dutzend Herde verlassen jährlich das Werk bei Lyon. Der beste Koch der Welt setzt auf den «Rolls-Royce» der Küche.
SonntagsBlick: Wie fühlt es sich an, der Beste zu sein?
Daniel Humm: Das kann man ja nie so genau sagen ...
Keine falsche Bescheidenheit. 2015 wurden Sie zum besten Koch der Welt, 2017 Ihr Eleven Madison Park zum besten Restaurant der Welt gewählt.
Ich bin dankbar und glücklich, es so weit gebracht zu haben. Mir wurde nie etwas geschenkt. Ich habe mir das alles mit viel harter Arbeit aufgebaut. Und ich habe in meinem Leben immer wieder etwas gewagt. Darauf bin ich stolz. Die Auszeichnungen sind nur eine Konsequenz davon.
Sie sind stolz, mit 14 Jahren die Schule hingeschmissen zu haben?
Absolut, das war der beste Entscheid meines Lebens! In der Schule hatte ich ständig das Gefühl, dass ich bloss meine Zeit verschwende. Das Schulsystem hat für mich überhaupt nicht funktioniert. Und wenn mich etwas nicht interessiert, bringe ich es unmöglich in meinen Kopf hinein.
Dann sind Sie ein Ignorant.
Nein, ich interessiere mich ja für viele Dinge abseits der Küche. Sport, Politik, Kultur. Aber ich kann nicht etwas lernen, das ich nicht lernen will. Das ist auch heute noch so. Deshalb merke ich mir beispielsweise den Namen eines Angestellten erst dann, wenn er etwas geleistet hat. Ansonsten muss ich ja nicht wissen, wie der heisst.
Sie haben auch sonst immer wieder etwas gewagt. 2003 sind Sie in die USA ausgewandert und …
... stopp! Sie vergessen etwas.
Was denn?
Die Zeit nach der Schule war die prägendste in meinem Leben. Nach meiner Kochlehre konnte ich unter anderem im Baur au Lac in Zürich und später in der Romandie arbeiten. So wurde ich zum Chefkoch im Gasthof zum Gupf in Rehetobel – ein wichtiger Karriereschritt.
Und dann haben Sie die Zelte abgebrochen.
Ich erhielt ein Jobangebot aus San Francisco. Also bin ich los, mit zwei Koffern, einigen Messern und ein paar Hundert Dollar. Das war ein gewaltiger Schritt für mich, schliesslich sprach ich kein Wort Englisch.
Etwas leichtsinnig.
Es war der richtige Moment. Als junger Erwachsener war ich ungebunden und musste auf niemanden Rücksicht nehmen. Ich wusste auch nicht, wie lange ich bleiben würde. Ich wollte diese Auslandserfahrung machen, auch um Englisch zu lernen. Ich dachte, das könnte für meine Karriere in der Schweiz noch wichtig sein.
Eine Rückkehr in die Schweiz war für Sie dann aber kein Thema mehr. Sie sind in New York durchgestartet.
Nicht sofort. Als ich 2006 von San Francisco nach New York in den Eleven Madison Park wechselte, machten wir eine schwierige Phase durch. Die Finanzkrise in den folgenden zwei Jahren traf uns hart, weil wir noch kein etabliertes Restaurant waren. Ohne Stammkundschaft ist es in solchen Zeiten besonders schwierig.
Da war Ihnen jedes Mittel recht, oder?
Wie meinen Sie das?
Sie haben Frank Bruni, den bekannten Gastrokritiker der «New York Times», angeschwindelt.
Ach, diese Episode (lacht). So würde ich das nicht sagen. Als wir erfuhren, dass er bei uns essen würde, mussten wir uns etwas einfallen lassen. Zu jenem Zeitpunkt blieben wegen der Finanzkrise viele Tische ungedeckt. Und wer vergibt einem leeren Restaurant schon die Höchstnote?
Stimmt es, dass Sie 50 Freunde eingeladen haben, damit diese gute Stimmung machen?
Korrekt. Wenn man an einem Wettkampf teilnehmen will, muss man das Spiel verstehen und – wichtig – auch spielen. Für mich ist das kein Schwindel. Die Qualität mussten wir letztlich trotzdem erbringen.
Und das haben Sie offenbar. Er gab Ihnen vier Sterne. Seither ist das Restaurant immer voll.
Ja, die Sterne kamen zum richtigen Zeitpunkt. Aber man kann sich nicht darauf ausruhen, erst recht nicht in New York! Man muss immer wieder bereit sein, alles aufs Spiel zu setzen, wie ich es schon ein paar Mal gemacht habe. Und man muss sich selbst gegenüber kritisch sein. Sonst bewegt man sich nicht mehr.
Wie rechtfertigen Sie den Menüpreis von 350 Dollar?
Wir beschäftigen im Eleven Madison Park 180 Mitarbeiter, um unseren Gästen das bestmögliche Erlebnis bieten zu können. Ich entwickle für jede Jahreszeit neue, innovative Gerichte. Alle Produkte sind bei uns von höchster Qualität. Und es hört ja nicht beim Essen auf. Ebenso wichtig ist der Service. Neben dem, was auf den Teller kommt, bleibt den Gästen der Kontakt mit unserem Personal in Erinnerung.
Ich habe gehört, dass Sie jeden Gast vor seiner Ankunft googeln. Das ist doch verrückt.
Ich will keine Chance ungenutzt lassen. Je mehr ich vom Gast weiss, umso besser kann ich auf ihn eingehen. Wenn jemand zum Beispiel aus Frankreich kommt, dann schicke ich ihm jenen Kellner, der von Paris nach New York ausgewandert ist. Ob es während des Essens dann jemals ein Thema wird, ist offen. Aber wenn, dann hat der Gast eine Beziehung zum Kellner. Und das macht sein Erlebnis besser.
Bei Ihnen speisen auch Gäste, die Sie nicht googeln müssen. Zum Beispiel Barack Obama.
Ja.
War Donald Trump schon Gast?
Keine Politik, bitte.
Die Rolling Stones?
Nächste Frage.
Sie reden nicht gerne über Ihre berühmten Gäste?
Es ehrt mich, dass die Besten ihres Fachs meine Arbeit schätzen. Mehr will ich dazu nicht sagen.
Okay. Sie besitzen mittlerweile fünf Restaurants in den USA. Eines davon setzt auf Fast Food. Spitzenkoch und Fast Food – wie passt das zusammen?
Niemand isst nur in Gourmet-Restaurants. Ich liebe die Kunst von teurem Essen. Aber nur die wenigsten können es sich leisten, bei mir einen Abend zu verbringen. Ich will mein Talent aber mit allen Leuten teilen. Deshalb habe ich «Made Nice» eröffnet, wo wir für 11 bis 15 Dollar Gerichte, die ich entwickelt habe, in drei Minuten anbieten.
Warum sollte Ihr Fast Food speziell gut sein?
Wenn ich einen simplen Rucola-Salat mache, wird mein Rucola-Salat besser sein als der von vielen anderen Köchen. Ich habe mehr kreative Ideen, wie man etwas zubereiten und kombinieren kann. Ob ich das an einem teuren Fisch oder an einem günstigen Rucola-Salat anwende, spielt keine Rolle. Das ist die Idee.
Essen Sie selber eigentlich auch Fast Food?
Das kommt vor. Am liebsten geniesse ich einen Teller Spaghetti an Tomatensauce.
Und Ihre Kinder? Gehen die zu Burger King?
Zum Glück nicht (lacht). Da habe ich wohl etwas richtig gemacht. Bei uns zu Hause gibt es auch keine Extrawürste. Sie essen, was auf den Tisch kommt. Und wenn sie es nicht mögen, dann haben sie halt Hunger.
Sprechen Ihre Kinder eigentlich Schweizerdeutsch?
Nur die Älteste (Justine Humm, Anmerkung der Redaktion). Sie ist hauptsächlich in der Schweiz bei ihrer Mutter aufgewachsen und lebt auch heute dort. Meine zwei Jüngeren haben in den USA leider weder Deutsch noch Mundart mitbekommen.
Wie oft kommen Sie noch in die Schweiz?
Sicher einmal pro Jahr. Diesen Sommer nehme ich meine Kinder aus New York mit. Ich zeige ihnen Zürich und die Berge. Darauf freue ich mich sehr!
Die Ruhe vor dem Sturm. Im Herbst eröffnen Sie Ihr sechstes Restaurant – das erste in Europa: Davies & Brook im Londoner Claridge’s Hotel.
Eine grosse Ehre. Die Chance, unsere Küche und Gastfreundschaft in eines der besten Hotels der Welt zu bringen, ist wirklich ein tolles Gefühl – ein Traum, der wahr wird.
Daniel Humm wird zur Kette. Verlieren Sie nicht den Überblick?
Ganz und gar nicht. Bis jetzt habe ich das Gefühl, dass durch jedes neue Restaurant die anderen besser wurden. Ich würde auch nicht wachsen wollen, wenn die Qualität darunter leidet. Sehen Sie: Wenn ich etwas eröffne, investiere ich enorm viel Zeit in das Projekt. Und je mehr Restaurants ich habe, desto mehr gute Leute kann ich anstellen.
Sind Sie heute mehr Koch oder Manager?
Im Herzen Koch. Ich stehe im Eleven Madison, so viel es geht, selber in der Küche. Aber klar, dass dies mit den Jahren seltener wird.
Und wann eröffnen Sie das erste Restaurant in der Schweiz?
Nie.
Warum?
Das würde nicht gut kommen. Schweizer sind neidisch. Wenn jemand Erfolg hat und sich zum Beispiel einen Mercedes kauft, gönnt man es ihm nicht. Dann gehen die Leute woanders essen. Damit will ich mich nicht herumschlagen.
Daniel Humm (45) aus Strengelbach AG hat eine echte Tellerwäscher-Karriere hingelegt. Mit 14 schmiss er die Schule, absolvierte eine Kochlehre und zog weniger später in die USA. Heute gilt er als der beste Koch der Welt – keiner hat so viele Auszeichnungen wie er: vier Sterne in der «New York Times», drei bei Michelin, «Best Chef in Northamerica». 2017 wurde das erste seiner sechs Restaurants zum Besten der Welt ausgezeichnet. Humm ist liiert und Vater von drei Töchtern.
Daniel Humm (45) aus Strengelbach AG hat eine echte Tellerwäscher-Karriere hingelegt. Mit 14 schmiss er die Schule, absolvierte eine Kochlehre und zog weniger später in die USA. Heute gilt er als der beste Koch der Welt – keiner hat so viele Auszeichnungen wie er: vier Sterne in der «New York Times», drei bei Michelin, «Best Chef in Northamerica». 2017 wurde das erste seiner sechs Restaurants zum Besten der Welt ausgezeichnet. Humm ist liiert und Vater von drei Töchtern.
2017
wurde Daniel Humms New Yorker Restaurant zum besten der Welt gewählt.
6
Restaurants besitzt Humm.
350
US-Dollar kostet ein Menü in seinem Restaurant Eleven Madison Park in New York.
180
Mitarbeiter beschäftigt Humm dort.
2011
erhielt Humm seinen dritten Michelin-Stern, den er seither nicht mehr verloren hat.
2017
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