Es sind unvorstellbare Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge im berüchtigten Camp Moria auf Lesbos leben müssen: 20 000 Menschen sind eingepfercht auf viel zu engem Raum. 200 Personen teilen sich eine einzige Dusche und Toilette, für 1300 Menschen muss ein Wasserhahn genügen, fliessendes Wasser gibt es oft nur wenige Stunden am Tag.
Im inzwischen völlig gegen aussen abgeriegelten Lager fehlt es an grundlegenden hygienischen Standards, weshalb schon vor der Pandemie Krankheiten grassierten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Coronavirus auch hier um sich greifen wird. Bis jetzt hat die Isolierung das offenbar verhindert. Aber die Helfer befürchten: Die Krankheit kann jeden Tag ausbrechen.
Unkomplizierte und schnelle Hilfe
Die dringend nötige medizinische Betreuung übernimmt das staatliche Spital Vostanio im Hauptort Mytilini. Die Kapazität von 250 Betten, davon gerade sechs für Intensivpatienten, reicht aber für eine Krise nicht annähernd aus. Geholfen wird hier dennoch jedem Patienten, unabhängig von Status und Herkunft. «Die grösste Bedrohung, welche Ärzte hier fürchten, wäre jetzt noch ein Corona-Ausbruch», so Efi Latsoudi (52), Leiterin der Hilfsorganisation Lesbos Solidarity. «Das bereits arg strapazierte Gesundheitssystem ist hierfür in keiner Weise gerüstet.»
Der Schweizer Unternehmer und Verdingkinder-Aktivist Guido Fluri (53) will mit seiner Stiftung unkompliziert und schnell helfen. «Die Bilder und Berichte aus Lesbos haben mich zutiefst erschüttert. In Zeiten von Corona braucht es überall Solidarität – in der Schweiz, aber auch bei den Ärmsten auf dieser Insel.» In einer gezielten
Hilfsaktion hat die Stiftung dringend benötigtes medizinisches Material im Wert von 120'000 Franken bereits Richtung Lesbos geschickt. Darunter Sterilisierungsboxen, Covid-19-Tests oder auch Beatmungsgeräte. Von der Ärzteschaft wurden Schutzmasken und Schutzbrillen angefragt, auch diese sollen möglichst rasch besorgt werden.
Akt der Humanität
Unterstützt wird das Projekt auch von den europäischen Kirchen (Geke), denn das Leid an den Grenzen Europas dürfe nicht vergessen gehen. «Es braucht einen Akt der Humanität, um wenigstens eine kleine Gruppe aus dem Lager Moria zu evakuieren. Die Schweiz könnte da Vorbild sein», findet Gottfried Locher (53), Präsident der evangelisch-reformierten Kirche Schweiz.
Damit ist er nicht allein: Zahlreiche Schweizer Prominente engagieren sich mit der Petition #evakuierenjetzt. Darunter Satiriker Viktor Giacobbo (68), Rapper Stress (42), Schriftstellerin Sibylle Berg (57), Schauspielerin Melanie Winiger (41) oder alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (74). Die Petition fordert Bundesrat und Parlament eindringlich auf, möglichst viele Geflüchtete aus der Ägäis in die Schweiz zu holen.
Das sieht auch Fluri so: «Der politische Entscheid, wie viele Menschen aufgenommen werden können, muss der Bundesrat fällen.» Neben der Soforthilfe brauche es eine umfassende Lösung. «Wegschauen ist keine Option. Als Zeichen an die Regierung bin ich bereit, meinen Beitrag zu leisten. Denn Lesbos geht uns alle an.»
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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