Der gestrige 25. November war ein historischer Tag. Thomas Gottschalk (73) nahm Abschied von «Wetten, dass..?». Er war der Inbegriff dieser verklärten Dekade der 1980er-Jahre und die Sendung die perfekte Spielwiese für ihn. An seinem Rezept hielt Gottschalk auch beim Finale fest, doch vorsichtiger geworden ist auch er. «Ich feure ja immer aus der Hüfte, aber inzwischen überlege ich schon mal, bevor ich etwas sage», meinte er in einem DPA-Interview. Im Gespräch mit der «Zeit» sagte er: «Ich ergreife auch ein bisschen die Flucht. Bevor ich nur noch Shitstorms erzeuge, weil ich Frauen ans Knie fasse, höre ich lieber auf.»
Der letzte grosse Einheizer des klassischen TV-Lagerfeuers ist gegangen. Wenn Thommy am Samstagabend seine Spässe trieb, versammelte sich die ganze Familie vor dem Apparat. Faszinierend, was er aus dem Stand alles meisterte, wie er stur auf sein Naturtalent vertraute und sämtliche Widerstände in Grund und Boden plauderte. Die Rednergabe hatte er gemäss eigenen Angaben von seinem 1964 früh verstorbenen Vater geerbt, der Rechtsanwalt war.
Exzess war nichts für ihn
Falco (1957–1998), ein anderer Held aus dieser Zeit, behauptete kühn: «Wer sich an die 80er erinnern kann, hat sie nicht miterlebt.» Gottschalk sah es vernünftiger: «Die Zeiten ändern sich, und ich habe die besten erlebt.»
«Habe ‹Wetten, dass..?› nie ernst genommen»
1987 übernahm er die Sendung von Frank Elstner (81). Auf das Bild des bunten Paradiesvogels hatte er sich da schon länger festgelegt. Dank «Thommys Pop Show» war er bereits eine feste TV-Grösse. Er schien stets alles dem Zufall zu überlassen und Kritik einfach auszublenden. Und den Druck, immer wieder zu liefern und gute Quoten zu erreichen, spielte er frech herunter. «Ich habe ‹Wetten, dass..?› nie ernst genommen», sagte er in der «Zeit». Und über seine Premiere flachste er: «Ich war bescheuert angezogen und hatte eine dämliche Frisur. Daran hat sich bis heute nichts geändert, so was nennt man Kontinuität.»
Dass ihm kaum etwas peinlich war und ist, zählte zu Gottschalks wichtigsten Tugenden. Chuzpe könnte man diese Mischung aus Wagemut, Dreistigkeit und Grössenwahn nennen. Das manifestierte sich in einer völligen Distanzlosigkeit zu seinen berühmten Gästen, die er duzte, küsste und nach intimen Dingen befragte. «Meine Kunst ist das Reagieren», beschrieb er seinen Ansatz einmal.
Der Hofnarr der Spassgesellschaft
Zu seiner unbekümmerten Art kam das Glück, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein. Deutschland hatte – als Gottschalk aufstieg – gerade die traumatischen Jahre des RAF-Terrors hinter sich. Songs der Neuen Deutschen Welle dominierten die Charts, Figuren wie Otto Waalkes (75) oder Didi Hallervorden (88) die Kinos. Gottschalk war der perfekte Hofnarr dieser Spassgesellschaft und sein Name tatsächlich Programm. Gottschalk in der «Zeit»: «Ich bin der Hanswurst, der Hansdampf in allen Gassen. Ich bin so, wie die Leute sein wollen.»
Aber er kannte auch seine Grenzen. «Ich habe niemanden klüger oder besser gemacht. Aber ich habe Menschen entkrampft – und es geschafft, dass Enkel und Grossväter auf dem gleichen Sofa sassen, wie sie es heute nicht mehr tun.»
2011 trat er nach dem tragischen Unfall von Wettkandidat Samuel Koch (36) erstmals zurück, 2021 gab es ein mehrteiliges Revival. Michelle Hunziker (46), seit 2009 bei «Wetten, dass..?» an seiner Seite, ist beim Finale nicht mehr dabei. Wie es mit der Show weitergeht, entscheidet das ZDF. Nach Gottschalks Weggang würde es sich anbieten, auch gleich das Format zu beenden. Das ist man dem ewigen Kindskopf, dem «göttlichen Buben», wie ihn Martin Walser (†96) einst genannt hat, eigentlich schuldig.
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