Wer hat eigentlich jemals das unsägliche Krimi-Genre der Geiselnahme erfunden? Und wer findet Geiselnahme-Krimis überhaupt spannend? Es wäre höchste Zeit für eine repräsentative Umfrage, die, so vermute ich, ganz klar aufzeigen würde: Niemand findet es spannend, niemand will das sehen. Mit dieser Umfrage könnte man dann an Filmschulen und Filmakademien Vorlesungen halten, bei denen klar wird, dass jedem Drehbuchautor, dem auch nur ansatzweise ein Geiselnahmeplot in den Sinn kommt, sofortige, lebenslängliche Publikumsverachtung entgegenschlägt.
Etwas Langweiligeres als das filmische Ausbeineln der Psychologie von Geiselopfern und Geiselnehmern gibt es meiner Meinung nach nicht. Heute: familiäres Trauma, doof-unfähige Eltern, fieses, unfaires Jugendamt, und irgendwie ist noch ein Mordfall reingemischt. Es ist zudem ein eher schlechtes Zeichen, wenn ich den «Tatort» vorsehe und beim Schreiben dieser Kolumne am nächsten Tag überlegen muss: Moment, worum ging es gestern nochmals?
Umschalten leicht gemacht
Der deutsche Kulturwissenschaftler Bazon Brock, emeritierter Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung, soll einst angesichts des heutigen Kulturbetriebs gesagt haben, er müsste eigentlich dafür bezahlt werden, um sich all diesen – pardon – Scheiss anzuschauen. Nun, dem möchte ich mich bezogen auf den heutigen Dresdner «Tatort» mit Gorniak, Winkler und Schnabel anschliessen. Mit dem Unterschied, dass ich ja tatsächlich dafür bezahlt werde, den «Tatort» für Sie vorzuschauen. Damit Sie nicht müssen. Sie müssen nicht.
«Tatort»: «Die Zeit ist gekommen», SRF 1, 20.05 Uhr
Wertung: Eins von fünf