SRF zeigt Doku-Fiktion zum Landesstreik 1918
Mit der Lupe nahe dran

Aufwendig inszeniert mit dokumentarischen und fiktiven Szenen und einer Armada von Historikern zeigt Filmer Hansjürg Zumstein den Landesstreik 1918 – und präsentiert tendenziöse Geschichtsbetrachtung.
Publiziert: 09.02.2018 um 12:18 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 21:15 Uhr
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Die Schweiz in den Tagen des Generalstreiks 1918.
Foto: SBL_2013_05_12
René Lüchinger

Ein Film, zumal eine Doku-Fiktion, die für Nachgeborene eine hundert Jahre zurückliegende Zeitgeschichte aufrollt, benötigt eine wirksame Dramaturgie. Nach diesem Muster inszenierte SRF-Filmer Hansjürg Zumstein im gestrigen Hauptabendprogramm des Schweizer Fernsehens den Generalstreik von 1918. Es war die schwerste innenpolitische Krise in der Geschichte des Schweizer Bundesstaats, die das Land an den Rand eines Bürgerkriegs brachte.

Ein guter Gewerkschafter namens Robert Grimm als Streikstratege stand gegen den bösen Militärkopf Emil Sonderegger, der um fast jeden Preis gegen streikende Arbeiter schiessen wollte: Der Oberstdivisionär war von dessen Mentor, Weltkriegsgeneral Ulrich Wille, als Truppenkommandant im roten Zürich eingesetzt worden und handelte nach dessen Weisungen, einen revolutionären Umsturz im Land mit militärischen Mitteln zu verhindern. Ein Detail, welches Zumstein seinen Zuschauern verschweigt.

Bester Service public

Dafür lässt er eine ganze Armada von Historikern auffahren: linke wie bürgerliche, Frauen wie Männer, italienisch-, deutschsprachige und auch welsche. In diesem Sinne war das vor der No-Billag-Abstimmung bester Service public, und manch ein Zuschauer mag sich gefragt haben, wer einen solch aufwendigen Mix von dokumentarischen und schauspielerischen Szenen bei einer Annahme noch finanzieren würde. Der Reigen der Akademiker aus allen Ecken des Landes geben dem Filmer aber eben auch die wissenschaftliche Absolution für seine ideologisch verbrämte Grundthese, die aus distanzierter Geschichtspräsentation eine tendenziöse macht.

Militärs und bürgerliche Politiker rund um den freisinnigen Bundespräsidenten Felix Calonder werden als reaktionäre Paranoiker dargestellt, die dem Wahn verfallen waren, ein revolutionärer Umsturz nach bolschewistischem Muster stünde hierzulande unmittelbar bevor. Dass in jenen Novembertagen des Jahres 1918 exakt dieses Gefühl viele Zeitgenossen beschlich, darüber tänzelt Zumstein mit der Nonchalance des nachgeborenen Geschichtsdeuters hinweg.

Dass in Russland die Revolution bereits im vollen Gange, in Deutschland die sozialistische Republik gerade ausgerufen worden war, erwähnt der Filmer nur am Rande. Mit der Lupe nahe dran ist er jedoch, als Sonderegger nach Grimms Streikabbruch bitter enttäuscht ist. In fiktiven Szenen suggeriert er: Der Militärkopf hätte so gern auf Schweizer Arbeiter geschossen. Was mit diesem Film wohl zu beweisen war.

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