So sieht Gleichberechtigung aus
Die Hälfte der SRF-Korrespondenten sind weiblich

Luzia Tschirky in Moskau, Bettina Ramseier in Berlin oder Karen Naundorf in Südamerika: Die Hälfte aller internationalen SRF-TV-Korrespondentenposten ist momentan von Frauen besetzt. Das spiegelt den gesellschaftlichem Wandel – mit Frauenförderung hat es nichts zu tun.
Publiziert: 23.05.2020 um 23:47 Uhr
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Aktualisiert: 25.05.2020 um 09:38 Uhr
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Im Frühjahr 2017 übernahm Alexandra Gubser (51) in Paris den TV-Korrespondentenposten von SRF.
Foto: Screenshot SRF
Jean-Claude Galli

Ob Corona-Demo in Deutschland, Zugunglück in Frankreich oder die neuste Ansprache von Boris Johnson (55) – dank der Korrespondenten des SRF sind Fernsehzuschauer stets dabei. Dabei fällt auf: Rund die Hälfte aller Korrespondentenposten ist weiblich besetzt. Noch nie haben für SRF so viele Frauen aus dem Ausland berichtet. Und sie berichten aus jenen Ländern, die für die Schweiz einen besonderen Stellenwert besitzen. So Bettina Ramseier (39) – seit 2019 Berlin-Korrespondentin. Diesen signifikanten Frauenanteil erklärt sie so: «Es gibt bei SRF viele ausgezeichnete Journalistinnen, die über Fachwissen verfügen, das Handwerk beherrschen und die nötige Flexibilität besitzen. Auch ich finde es erfreulich, wenn das sichtbar wird.»

Karen Naundorf (44) berichtet freischaffend aus Südamerika. Sie sagt: «Es ist natürlich schön, einem Haus anzugehören, das Stellen nach Qualifikation besetzt.» Für die jüngste SRF-Korrespondentin überhaupt, Luzia Tschirky (29), die Anfang 2019 als erste Frau die Stelle in Moskau antrat, ist die Entwicklung ein Zeichen dafür, dass es «ebenso viele kompetente Frauen wie Männer gibt». Und zwar nicht nur beim SRF: «Mit grossartigen Kolleginnen wie Ina Ruck von der ARD, Carola Schneider vom ORF und Phoebe Gaa vom ZDF gibt es bei allen grösseren TV-Büros in Moskau aus dem deutschsprachigen Raum Frauen, mit denen ich mich austausche und die Vorbilder sind für mich.»

«Andere Frauen bestärken, vorne hinzustehen»

Grossbritannien-Korrespondentin Henriette Engbersen (40) ging es 2017 ähnlich: «Als ich nach London kam, war ich positiv überrascht darüber, wie viele Korrespondentinnen hier arbeiteten.» Das habe ihr zusätzlich Selbstvertrauen gegeben. Nun versuche sie, auch andere Frauen darin zu bestärken, vor der Kamera zu stehen. «Ich bemühe mich ebenso, die Interviewgäste ausgewogen auszuwählen. Wenn Frauen genauso sichtbar sind wie Männer, wird es selbstverständlich, und wir haben eine Chance, dass die Frage nach dem Geschlecht irgendwann überflüssig wird.»

«Es ist wie beim Fussball: Ohne Talentförderung in jungen Jahren gibt es kein gutes Profi-Team», kommentiert Reto Gerber (48) das Geschlechterverhältnis, Leiter der TV-Auslandsredaktion. SRF habe in vielen Bereichen zunehmend auf Frauen gesetzt – bei der Stagiaire-Ausbildung oder bei der Ernennung zu Produzentinnen von Sendungen beispielsweise. Entscheidend sind für Gerber auch die gesellschaftlichen Veränderungen: «Bei einem Mann galt es lange als ‹normal›, dass er Korrespondent wird und seine Partnerin ihre Arbeit und ihre Karriere aufgibt. Heute kommt es häufiger vor als auch schon, dass ein Partner mitzieht und so der Journalistin die Chance bietet, sich weiterzuentwickeln.»

Bettina Ramseier war zuletzt Produzentin bei «10 vor 10». Über ihre heutigen Arbeitsbedingungen sagt sie: «Ich lebe zusammen mit meinem Mann und zwei kleinen Kindern in einer Wohnung in Berlin. Von dort bin ich mit dem Fahrrad in 15 Minuten in meinem Büro.» Karen Naundorf dagegen muss einen ganzen Kontinent abdecken. «Meine Homebase ist Buenos Aires, dort habe ich eine Wohnung», sagt sie. «Ansonsten gilt: Dort, wo mein Laptop und ich gerade sind, ist das Südamerika-Büro von SRF.» Wenn Luzia Tschirky nicht herumreist, teilt sie sich mit dem Radio-Korrespondenten ein Büro: «Die Arbeit ist mehr als ein Fulltime-Job. ich habe grössten Respekt vor Kolleginnen und Kollegen, die neben dem Job noch Kinder grossziehen. Hätte ich ein Kind, müsste es wohl teilweise bei mir im Büro wohnen.»

Ab 2021 berichtet auch aus New York eine Frau

Gezielte Frauenförderung betreibt SRF nicht. «Wir schätzen es sehr, dass sich in den vergangenen Jahren auch viele Frauen auf Ausschreibungen gemeldet haben. Keine von ihnen hat die Stelle erhalten, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie fachlich, im Auftritt und auch als Mensch überzeugt hat», hält Reto Gerber fest. Und Bettina Ramseier unterstreicht: «Das Geschlecht spielt in jedem Job eine Rolle, genauso wie Charakter oder Vorlieben. Aber in der Professionalität nehme ich keine Unterschiede wahr.»

Und das Rad dreht weiter: Viviane Manz (45) übernimmt ab Frühjahr 2021 als Nachfolgerin von Thomas von Grünigen (46) den SRF-Korrespondentenposten in New York.

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