BLICK: Die «Rundschau» hat einen besseren Sendeplatz um 20 Uhr – und der Anchor fehlte. Wo waren Sie denn?
Sandro Brotz: Ich drückte gerade die Schulbank (lacht). Ich durfte einen seit vielen Jahren gehegten Wunsch endlich umsetzen und habe während vier Wochen mein Englisch in einer Sprachschule in der Kleinstadt Canterbury aufpoliert. Eine tolle Erfahrung, die auch für meine journalistische Arbeit wertvoll ist. Kollegin Nicole Frank hat unsere erste Primetime-Sendung aber souverän über den Bildschirm gebracht. Nun bin ich wieder auf der Redaktion und freue mich sehr darauf, ab der zweiten Sendung im Studio zu stehen.
Ist das der erste Schritt zum England-Korrespondenten in London?
Das macht Henriette Engbersen bestens! Auch wenn ich eingestehen muss, dass es bisweilen gut tut, Aussenluft zu schnuppern. Es ist geplant, dass ich neben der Studiotätigkeit auch wieder vermehrt auf Reportage gehen und während der Sessionen öfter im Bundeshaus aufkreuzen werde – auch, um den «Rundschau talk» mit Susanne Wille aufzugleisen.
Was ändert sich, wenn man eine Stunde früher sendet?
Ich bin früher daheim (schmunzelt). Im Ernst: Es ist in erster Linie eine Wertschätzung des Hauses, die das ganze Team sehr freut und uns darin bestärkt, dass politischer Recherchejournalismus einen Platz in der Primetime haben kann. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können weiterhin exklusive Recherchen, überraschende Reportagen und kritische Interviews erwarten. Wir werden künftig aber noch mehr auf bildstarke Storys setzen.
TV-Profis sprechen von einem sogenannten gelernten Sendeplatz – die «Rundschau» kam immer um 21 Uhr. Birgt der Wechsel auf den ehemaligen Quiztermin nicht auch Gefahren?
Die Redaktion unter Mario Poletti hat die Sommerpause genutzt, um sich intensiv auf den neuen Sendeplatz vorzubereiten. Wir gehen mit grossem Respekt an die Herausforderung heran und sind hochmotiviert, der Erwartungshaltung gerecht zu werden. Ich bin überzeugt: Politik ist mindestens so spannend wie ein Quiz.
Ihr Kollege Arthur Honegger lancierte vor einiger Zeit eine Debatte, wie offen ein Moderator US-Präsident Donald Trump angreifen darf. Muss man es tun – oder wo ist die Grenze?
Mein journalistisches Credo war schon lange vor Donald Trump: Sagen, was ist. Wenn also mit falschen Tatsachen hantiert wird – ob in Washington, Moskau, London oder Bern –, dann ist es unsere Aufgabe, dies dem Publikum glasklar zu vermitteln. Persönlich bin ich der Ansicht, dass wir präzise analysieren und uns nicht von Emotionen leiten lassen sollten. Aber: Es hat meines Erachtens noch nie geschadet, seinen Beruf mit Haltung auszuüben.
Die Welt ändert sich – Populisten wachsen überall aus dem Boden. Wie verändert das die Aufgabe der Journalisten?
Wenn ich auf meine bisher 30 Berufsjahre zurückblicke, waren wir Journalistinnen und Journalisten noch nie so gefordert wie heute. In Zeiten, in denen Populisten auf der Klaviatur der Vereinfachung und Verunglimpfung spielen, sind nüchterne Einordnung und faktenbasierte Berichterstattung noch wichtiger geworden. Populismus ist ein globales Phänomen. Wie man damit hochprofessionell umgehen kann, zeigen unter anderem ORF-Kollege Armin Wolf, BBC-Talker Stephen Sackur oder Anne Will von der ARD.
Journalisten werden zu Sündenböcken – in den USA wehrt man sich inzwischen. Was muss man tun?
Man sollte vorsichtig damit sein, die Verhältnisse direkt auf die Schweiz zu übertragen. Es ist einfach, den Überbringer der Botschaft zu kritisieren und damit vom Sachverhalt abzulenken. Was aber auch hierzulande zutrifft: Ich stelle eine Tendenz fest, dass sich Amtsträger zunehmend hinter einer Firewall von Pressesprechern und Beratern verschanzen. Eine direkte Demokratie lebt vom direkten Dialog.
Ihr Sohn Lennox aus einer früheren Beziehung ist oft bei Ihnen. Er ist 13 Jahre jung. Schaut er die «Rundschau»?
Er gehört noch nicht zum Stammpublikum (lacht). Aber ich rede oft mit ihm darüber, was wir für Beiträge in der Sendung haben und was für ein Studiogast kommt. Je nach Thema – zuletzt bei der Reportage über den entlassenen Bankräuber Hugo Portmann – zappt er rein. Aber es ist klar, dass für die jüngere Generation andere Kanäle wie Youtube oder Instagram eher zum Alltag gehören.
Wie findet er den Papa am Bildschirm?
Das ist bei ihm kein grosses Thema. Er hat sich längst daran gewöhnt.
Wie erklären Sie ihm den Umgang mit Social Media?
Ich versuche ihm dasselbe zu vermitteln, was auch für mich gilt: Nur das preiszugeben, zu dem man auch öffentlich stehen kann. Ansonsten ist er in der Social-Media-Welt viel versierter unterwegs als ich.
Sie haben Ende 2016 den syrischen Diktator Assad interviewt. Was wären Sie zu tun bereit, um ein Interview mit Trump zu bekommen?
Da sind wir schon länger dran. Wie auch schon bei Assad ergibt sich so ein Interviewtermin nicht von einem Tag auf den anderen. Man versucht über direkte und indirekte Kontakte einen Zugang zu bekommen und bleibt hartnäckig.
Und welches wäre der Interviewpartner, nach dem sie sagen könnten: Das wars, nun kann ich in den Ruhestand?
Meinen Ruhestand werde ich bestimmt nicht von einem Wunschgast abhängig machen. Dafür bin ich noch viel zu jung (lacht). Auch wenn sich Fifa-Präsident Gianni Infantino nach leider vielen Absagen doch noch zu einem Interview bereiterklären würde, wäre das nicht meine letzte Sendung.
Sie haben gemäss unseres Wissens früher geraucht und waren den leiblichen Genüssen nicht abgeneigt. Haben Sie diese Vergnügungen nun ganz einfach durch das Runner’s High ersetzt?
Das hat sich bei mir in eine gesunde Balance eingependelt. Sport ist immer noch ein wichtiger Teil meines Alltags, aber ich trainiere nicht mehr so verbissen wie auch schon. In England habe ich in etwa mindestens so oft Fish & Chips gegessen, wie ich gelaufen bin.
Und was sagen sie jenen Leuten, die kritisieren, Laufen sei eine Zwangshandlung und gefährlich oder wirke gar wie eine Droge?
Ach was! Das Laufen kann durchaus Glücksgefühle auslösen – aber die sind mitnichten gefährlich. Vor dieser «Sucht» muss ich niemanden warnen.
Was sich die ganze Schweiz bei Ihren zum Teil belastenden Themenstoffen fragt: Sprechen Sie zu Hause mit Ihrer Partnerin eigentlich darüber und bauen so Druck ab, oder bleibt der Job draussen vor der Tür?
Mit meinen Liebsten und meinen Freunden teile ich meinen Alltag – so wie das überall sonst auch geschieht. Aber es ist wichtig, dass sich diese Gespräche nicht nur um den Job drehen.
Sie sind ein Star bei SRF. Verdienen Sie genug?
Roger Federer ist ein Star, nicht ich. Ich bin allenfalls bekannt. Ich stehe dazu, gut zu verdienen.
Sie haben letzten Winter Ihren Lohn offengelegt – 130'000 Franken brutto. Gab das Rüffel von der SRG?
Nein. Ich hatte danach ein offenes und gutes Gespräch mit Direktor Ruedi Matter.
Immer wieder werden TV-Aushängeschilder in Verbindung mit der Politik gebracht. Zuletzt war dies bei Susanne Wille der Fall. Ein Thema für Sie?
Ich hege absolut keine politischen Ambitionen. Ich begleite, beobachte und hinterfrage die Politik lieber, als ein Teil von ihr zu sein.
Was könnte nach dem Fernsehen kommen?
Solange ich noch dieses Kribbeln im Bauch verspüre, wenn das Sendesignet läuft und das rote Kameralicht angeht, denke ich nicht an ein Leben nach dem Fernsehen. Zudem bringen die Digitalisierung und der Newsroom am Leutschenbach noch viele neue spannende Arbeitsfelder. Projekte wie der «Talk am Grill» sind ebenfalls reizvoll. Es war mir jedenfalls noch kein Tag langweilig.
Und zum Schluss: Sie teilen aus, wirken so, als würden Sie alles einstecken können. Tun Sie das wirklich?
Dann wäre ich ja ein Roboter! Natürlich habe ich gelernt, mir eine dicke Haut zuzulegen, aber es gibt durchaus Tage, an denen ich mit Anfeindungen nicht so gut umgehen kann. Aber es ist auch viel Lob in der Post.
Was tut am meisten weh?
Wenn mein Umfeld darunter leiden muss.
Und wenn jetzt noch jemand Kotz-Brotz zu Ihnen sagt?
Dann antworte ich: Na, das hatten wir jetzt aber schon, oder? (lacht)