Jodelkönigin Melanie Oesch (30) steht bei Sonnenaufgang auf dem Trogenhorn in Innereriz BE und stösst einen Jauchzer aus. So zu sehen letzten Mittwoch bei «Glanz & Gloria». «Ich habe das Wandern als Ausgleich entdeckt», schwärmt die Bernerin. Das Schweizer Fernsehen ebenfalls, es setzt geradezu manisch auf rote Socken. Erst im Juli waren Michael Weinmann (37) und Sabine Dahinden (50) beim «Schweiz aktuell»-Sommerspecial «Die Alpenreise» unterwegs.
Dass jetzt auch noch beim People-Magazin geschwitzt wird, schiesst aber den Wandervogel ab. Für Werber und TV-Produzent Frank Baumann (60) ist klar: «Das ist kein Wandern, SRF ist auf der Flucht.» Flucht wovor? Vor sinkenden Quoten? Oder mangelnden Ideen?
Nik Hartmann ist das erfolgreiche Original
Angefangen hat alles mit Nik Hartmann (46), dem Original. Seit inzwischen elf Staffeln bindet der Publikumsliebling die Schuhe und ist dann mal weg. Mit seiner Sendung «Über Stock und Stein» holte er bis zu 880'000 Zuschauer. Die vor zehn Jahren entwickelte Idee war ein riesiger Erfolg: Man konnte die Schweiz und ihre Landschaften, die Menschen und ihre Kultur zeigen, erklärt die frühere Unterhaltungschefin Gabriela Amgarten (56). «Nik wurde neben vielen anderen möglichen Moderatoren gecastet. Er fiel auf, weil er Stadt und Land, Frechheit und Herzlichkeit, Wortwitz und Einfühlungsvermögen gleichermassen verkörperte. Er war ein Glücksfall», sagt sie. Und sein Hund Jabba (†13) sei das i-Tüpfelchen gewesen.
Die halbe SRF-Belegschaft macht sich auf die Socken
Inzwischen macht sich aber die halbe SRF-Belegschaft auf die Socken. Letzten Sommer liess man Radio-Seelenwärmer Ralph Wicki (57, «Nachtclub») auf einer Mittelalter-Zeitreise pilgern. Morgen Montag packt auch «Samschtig-Jass»-Moderator Reto Scherrer (42) den Rucksack für einen Fünf-Tage-Trip durch die Ostschweiz.«Es ist ja erfreulich, wenn sich SRF vorwärtsbewegt. Aber die ungezügelte Wanderlust ist eine Gratwanderung», konstatiert Marco Stöcklin (66), früherer Leiter der Abteilung «Unterhaltung». «Wird zu viel gewandert, wandert das Publikum ab. Dies gilt für alle Sendeformate, die ein Thema überreizen.»
Ein SRF-Insider gibt zu bedenken, dass man mit den vielen Wanderformaten vor allem am Ast von Nik Hartmann sägt. «Keiner will pausenlos Schnitzel mit Pommes frites verdrücken, sagt er. «Der TV-Direktor muss stoppen, dass jede Redaktion Wanderplagiate erfindet.»
Aber um Gottes willen! Am 23. September begibt sich auch noch die Sendung «Sternstunde Religion» auf eine dreiteilige, spirituelle Wanderschaft durchs Bündnerland. Vielleicht spricht dabei jemand ein Gebet, dass SRF die roten Socken endlich mal in die Waschmaschine steckt.