«Houston. Hier ist Basis Tranquillitatis. Der Adler ist gelandet.» So verkündete Neil Armstrong (1930–2012) am 20. Juli 1969 um 20.17 Uhr, dass er und Edwin «Buzz» Aldrin (89) als erste Menschen auf dem Mond gelandet waren. Als Armstrong Stunden später die obersten Sprossen des Landemonduls «Eagle» bestieg, sprach er die inzwischen weltberühmten Worte: «Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein grosser Sprung für die Menschheit.»
Ein gewaltiger Step war die Apollo-11-Mission auch fürs Fernsehen: Rund 600 Millionen Zuschauer harrten weltweit vor den Bildschirmen – so viele, wie nie zuvor! Auch das aufstrebende Schweizer Fernsehen legte sich gewaltig ins Zeug: Monate wurde alles durchgespielt – von der perfekten Landung bis zum möglichen Absturz. Vertreter aus Wissenschaft und Kultur verfolgten im damaligen Studio Bellerive im Zürcher Seefeld bis in den Morgen hinein das Spektakel. In einem kleineren Studio lieferten der damals 25-jährige Mathematiker Bruno Stanek (75) und Moderator Charles Raedersdorf (84) viele Zusatzinformationen. Die Sendung war – kein Zweifel – ein Zeitdokument. Eines von unvorstellbarem Wert.
Ein Zeitdokument von unvorstellbarem Wert ist verschwunden
Viele Zuschauer hätten sich gewünscht, dass SRF die Originalübertragung von Samstag auf Sonntag 1:1 wiederholt – so wie dies der Fernsehsender ARD-alpha mit dem deutschen Material machte. SRF musste sich jedoch mit der Ausstrahlung des Films «Apollo 13» und eingekaufter Dokus begnügen. Grund: Das Originalmaterial – auch von späteren Apollo-Missionen – wurde vernichtet. «Die Aufzeichnungsbänder waren damals sehr teuer, weshalb das Band mit der Eigenproduktionssendung der Mondlandung später wieder überspielt worden ist», bestätigt eine SRF-Sprecherin.
Eine Rolle kostete tatsächlich 4300 Franken. TV-Regisseur Max Sieber (76), damals Sendeleiter der Mondlandung, präzisiert: «Die Bänder waren gross und wogen mehr als acht Kilo. Damit brauchten sie viel Platz. Jeden Herbst kam der Befehl des Direktors, möglichst viele dieser Bänder zu löschen.» Für Moderator Raedersdorf handelt es sich um einen «immensen Schaden». Wörtlich sagt er: «Hier wurde wichtiges Kulturgut zerstört. Die jüngere Generation weiss über die Mondlandung ja kaum noch Bescheid. Es käme ja schliesslich auch niemandem in den Sinn, die Schlacht von Morgarten aus den Archiven zu verbannen», meint er kopfschüttelnd.
«Alle schauten nur in die Zukunft»
Die Vernichtung alter Sendungen ist ein grundsätzliches Problem. In der Anfangszeit des Fernsehens wurden die meisten Programme überhaupt nicht archiviert – später nur die wichtigen. Bespielte Bänder wurden einfach durch Neuaufnahmen gelöscht. «Das damals junge Fernsehen galt als Medium des Augenblicks. Alle schauten nur in die Zukunft», konstatiert Max Sieber.
So ist auch beim ORF die über 28 Stunden dauernde Liveübertragung zur Mondlandung verschwunden. Produziert in einem temporären Studio in den früheren Affenstallungen der Kaiserin Maria Theresia in Wien-Schönbrunn, wurden die Bänder später mit Skisport-Aufnahmen überspielt. Zufällig sind bloss 19 Minuten am Ende eines Tapes erhalten. Bei der BBC ist überhaupt alles weg. Zur Löschung der Aufnahmen gibt es einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass die Engländer ihre dokumentarischen Schätze zugunsten von Pferderennen opferten.
Auch «Teleboy»-Sendungen sind futsch
Die Löschorgien betrafen in der Schweiz nicht nur die Mondlandung, sondern auch andere Strassenfeger, wie sich die 2012 verstorbene TV-Legende Kurt Felix (†71) erinnerte: «Auch ich gehörte zu diesen Nullcheckern, die aus Sparwut die unsinnigen Vernichtungsaktionen mitmachten, und stampfte fünfzehn ‹Teleboy›-Sendungen ein und wurde für diesen Blödsinn vom Unterhaltungschef hochgelobt.»