Am Leutschenbach stellt man sich dieser Tage nicht mehr die Frage, ob es MDR-Programmdirektorin Nathalie Wappler-Hagen (50) an die SRF-Spitze schafft. Dass ihre Wahl in den kommenden Tagen bestätigt wird, gilt als sicher.
Aber man rätselt über die Art und Weise, wie dies der Mitteldeutsche Rundfunk Anfang Woche voreilig kundtat. «So sehr es den MDR freut, dass sie für diese neue grosse Aufgabe nominiert wurde, so sehr bedauern wir ihren möglichen Weggang aus Halle», bestätigte eine Sprecherin Wapplers Absprung verklausuliert.
Bei der gezielten Indiskretion könnte man bösartig vermuten, dass man sich beim MDR nicht eben freut, dass sich ihre Programmchefin schon nach zwei Jahren wieder verabschiedet. Auch SRF-Kaderleute geben bereits Wetten ab, wie lange es die in St. Gallen geborene Wappler bei SRF aushält. Sie gilt als Job-Hüpferin, arbeitete kurz bei der «Kulturzeit» (3sat), der ARD-Talkshow «Joachim Gauck», dem ZDF-Magazin «Aspekte» sowie der Talkshow «Maybrit Illner» , bevor sie 2005 zur Kulturabteilung von SRF wechselte, wo sie gehörig Staub aufwirbelte und den ersten Schweizer «Tatort» der Neuzeit niederwalzte.
Kritik am Wahlverfahren
Beim Schweizer Fernsehen warten schwierige Zeiten auf die Frau, die gerne der klassischen Musik frönt. Sie muss zuerst einmal Gemüter in einer angeheizten Situation besänftigen. Von einer intransparenten Wahl ist die Rede, valable Kandidaten seien nicht angehört oder ausgeschaltet worden.
Der «Klein Report» spricht sogar von einer «Geheimloge SRG». Aus dem Fenster gelehnt hat sich «Kassensturz»-Moderator Ueli Schmezer (57), dem wohl noch Ungemach blühen wird. Nach ausbleibendem Feedback auf seine Bewerbung habe er sich «schon überlegt, wie offen dieses Wahlverfahren überhaupt ist», sagte Schmezer in einem Interview mit der «Medienwoche».
Wichtige Weichen stellen zwei Deutsche
Wapplers Spielräume sind nicht gross, wichtige strategische Schritte hat ihr Vorgänger bereits eingeleitet: Der Newsroom, über dessen Dimension sogar TV-Insidern schwindlig wurde, als sie ihn während der Sendung «Hallo SRF» bestaunen konnten, wird gebaut. Auch das Radio wird integriert, was für weiteren Unmut sorgt.
Wichtige Weichen stellen künftig zwei Deutsche: Stefano Semeria (52) hat schon begonnen, die Unterhaltung völlig umzukrempeln, während ab Januar Gert von Manteuffel (51) den Sender auf digital trimmen soll. Man hat ihn von der Deutschen Telekom geholt. Intern spricht man von der «Germanisierung» des Senders.
Die neue Direktorin muss Tempo rausnehmen
Die notwendige Digitalisierung, vor allem die Verlegung von immer mehr Content ins Internet, wird Wappler aber in Konflikt mit dem Bundesgesetz für Kommunikation (RTVG) und den Verlegern bringen – SRF entwickelt sich zum eigenen Grossmedienkonzern, der Inhalte jeder Art digital abspielen will. Viele am Leutschenbach fragen sich, ob die Newsfabrik, in der sie künftig arbeiten sollen, nicht zu gross angerichtet wird.
Die Zeiten verändern sich im Flug, heute schaffen es Influencer, mit der Handykamera Hunderttausende zu erreichen – mit bescheidenem Aufwand. Immer grösser, immer gewaltiger – hier muss die neue Direktorin wohl Tempo rausnehmen, vor allem wenn in Zukunft Quoten, Gebührengelder und Werbung fehlen könnten.
Aeschbacher wohl zu früh ausrangiert
Eine weitere Baustelle ist die Unterhaltung. Im Moment ist der Fokus ganz auf die Jungen gerichtet, doch sie haben sich längst verabschiedet. Den Sonntagabend mit den Comedians Deville und Elsener statt «Aeschbacher» zu bewirtschaften, wird in die Hose gehen. SRF braucht zwar eine solide Comedy-Sendung mit einer starken Redaktion – ähnlich wie die ZDF-«heute-Show» – aber weiterhin auch ein Talkformat. Sender wie SRF sind auf ein etabliertes Publikum zugeschnitten. Das müsste Wappler wissen, die beim MDR viele ältere Zuschauer bei Stange hielt – vor allem mit regionaler Berichterstattung und Volkskultur.
Warum also Aeschbacher nicht zurückholen? Falsch wäre das nicht. Freunde der leichten Muse müssen sich allerdings warm anziehen, gilt Wappler doch als Vertreterin der Hochkultur und bevorzugt eher das gepflegte Klavierspiel denn angeregte Plaudereien.
Wochenenden sind sportlich überladen
Auf dem Sportfeld wirkt Wappler verloren. Matchentscheidend ist hier der Live-Bereich. Will das SRF gegen die Pay-TV-Anbieter nicht untergehen, muss es für die teuren Rechte viel Geld in die Hand nehmen. Das Problem: Die Wochenenden sind überladen, was dazu führt, dass attraktive Entscheidungen oft nur online gezeigt werden können, weil SRF zwei bereits belegt ist und auch SRF info oft als verkappter Sportkanal «missbraucht» wird.
Im Serienbereich schliesslich hat man mit «Wilder» einen Quantensprung geschafft – wohl zur eigenen Überraschung. Eine zweite Staffel wird eben im Jura gedreht. In Zukunft geht aber nichts mehr ohne private Produktionspartner, analog dem deutschen Hit «Babylon Berlin» oder der welschen Bankenserie «Quartier des banques».