Foto: SRF/Oscar Alessio

«Giacobbo/Müller»-Nachfolger Michael Elsener vor seiner ersten Sendung
«Ich mag, wenn etwas schief geht»

Er tritt ein grosses Erbe an: Satiriker Michael Elsener beerbt Viktor Giacobbo und Mike Müller. Ab Sonntag begrüsst er das TV-Publikum zur neuen SRF-Late-Night-Show.
Publiziert: 19.01.2019 um 00:39 Uhr
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Aktualisiert: 19.01.2019 um 07:59 Uhr
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Erst 33 Jahre und schon eine eigene TV-Show: Satiriker Michael Elsener.
Foto: Philippe Hubler
Interview: Jean-Claude Galli und Peter Padrutt

Er wirkt bedacht, lächelt zuvorkommend. Der Anzug sitzt, die Frisur auch. BLICK trifft Michael Elsener (33) während der Proben zu seiner Sendung «Late Update» (morgen, SRF 1, 21.40 Uhr). Er hat viel zu erzählen. Von gefährlichen Reisen in Krisengebiete, die man ihm nicht unbedingt zutraut.

BLICK: Viktor Giacobbo sagte, SRF habe es «verkackt», weil man am Sonntagabend nach dem Aus von «Giacobbo/Müller» nicht nahtlos mit Satire weitermachte. Sind Sie geholt worden, um sauber zu machen?
Michael Elsener:
Es ist mir tatsächlich eine grosse Freude, zusammen mit meinem Team diesen Spielplatz bekommen zu haben. Es hat sich auch gut ergeben, denn vorher war ich lange auf Reisen. Als ich zurückkam, sagte das Fernsehen: Wir würden dich gerne häufiger sehen. 

Wo waren Sie denn?

Ich war lange im Iran, davor in Südamerika, mehr als ein halbes Jahr.

Iran? Klingt eher gefährlich.
Ich war mit einem guten Freund dort, mit dem ich Politikwissenschaften studiert habe. Wir haben eine Liste von Ländern gemacht, die in den Medien ein eher negatives Image haben, und wollten gerade diese bereisen. Wir hatten nur den Hin- und Rückflug gebucht und sonst keine Pläne. Ich habe selten gastfreundlichere Menschen gesehen. Wir waren auch noch zu der Zeit dort, als Trump den Atomdeal kündete. Das war der einzige Abend, an einer Grillparty, als wir merkten, jetzt fällt die Stimmung zusammen. Weil die Leute nicht mehr wussten: Wie geht es mit unserem Land weiter? Sie wussten nur, dass ab morgen die Lebensmittelpreise steigen.

Steht man als Satiriker nicht schnell im Verdacht, ein Spion zu sein?
Nach allem, was ich über den Iran gehört habe, machte ich mir schon Gedanken. Es gibt wohl wenig Länder auf der Welt mit derart drastischen Regelungen wie den Iran. Aber die Iraner sind Meister darin, diese Bestimmungen zu umgehen. Das fängt beim Alkoholverbot an. Jeder hat eine Nummer im Handy, die er anrufen kann, um Alkohol zu bekommen. 

Hat diese Reise einen Einfluss auf Ihre erste Sendung?
Wenn ich am Reisen bin, in Bolivien beispielsweise durch La Paz laufe, da stelle ich mir jeweils vor: Was wäre aus mir geworden, wenn ich hier aufgewachsen wäre? Wäre ich auch Komiker geworden? Dieser Gedankengang hat mir enorm viel gebracht, ich schätze die Dinge hier nun viel mehr. Doch ich sehe sie auch aus einem anderen Blickwinkel. Ein Mensch aus La Paz würde sich wohl nicht so schnell über einen langsamen SBB-Ticketautomaten aufregen.

Sie haben gesagt: «Eine gute Pointe ist immer wahr und transportiert einen gewissen Schmerz.» Aber gibt es nicht auch Grenzen darin, wie weh man tun darf?
Ich bin in der komfortablen Lage, dass ich in der Schweiz Satiriker sein kann, also in einem demokratischen Land. Solange die Leute wissen, was ich zum jeweiligen Thema für eine Haltung habe, kann ich relativ weit gehen. Das Problem ist: Mit den heutigen Wiedergabemitteln ist es möglich, dass man nur einen Schnipsel aus meinem Programm verbreitet. Es gibt dann Leute, die sich über die 30 Sekunden aufregen, obschon sie nicht wissen, in welchem Kontext diese stehen.

Werden eigentlich in den sozialen Medien auch Ihre bemerkenswerten Locken diskutiert? Sind die echt?
Das ist meine Lieblingsfrage. Jetzt habe ich gerade wieder eine laufende Wette mit einem Kollegen gewonnen. Ich habe ihm gesagt: Bei jedem Gespräch, das ich mit Journalisten führe, geht es irgendwann mal um meine Frisur. Schön, ist es auch heute passiert. Lucky Strike! Ja, meine Locken sind echt. Ich mache mit meiner Coiffeuse jeweils ein Spielchen. Sie hat relativ viele ältere Grandes Dames, die jeweils ewig haben für ihre Dauerwellen. Bei mir setzt sie kurz die Haube auf, nimmt sie wieder weg und sagt: So, du bist fertig. Dafür ernte ich dann neidische Blicke von den älteren Damen.

Sie gelten als schlagfertig und schnell. Was können Sie am besten?
Was ich sehr mag, ist, wenn etwas nicht nach Plan verläuft, etwas schiefgeht. Ich nehme das dann als Angebot, etwas zu machen, was nur heute möglich ist. Was meine Fantasie fordert.

Man weiss wenig über Sie …
Ja, wer bin ich? Ich bin ein Mensch, der nicht gerne Routine hat. Ich bin sehr offen, lasse mich gerne auf neue Abenteuer ein, auch was Reiseziele angeht.

Aber wie leben Sie so?
Ich stehe am Morgen auf, dann mach ich «Zeugs», und dann gehe ich wieder schlafen. Wenn man es zusammenfassen würde, wäre das in etwa mein Leben.

Sind Sie privat eigentlich lustig?
Ich habe beide Seiten. Wenn das Essen im Restaurant lange nicht kommt, kann ich sehr zynisch werden. Aber es gibt auch Momente, in denen ich allein auf einer Wanderung bin und durchaus auf traurige, depressive Gedanken komme. Und aus diesen Momenten heraus kommen die meisten Inputs für mein Programm. Ich beschäftige mich dann auch mit schweren Themen wie Sterbehilfe, was für Leute von aussen seltsam sein mag, weil sie sagen: Der ist doch noch jung. 

Stimmt es, dass Sie am Morgen nie erreichbar sind?
Ja, und ich lasse auch das Handy bis 13 Uhr ausgeschaltet. Manche Leute machen das nur während den Ferien. Ich dachte mir: Wie wäre es, jeden Tag ein wenig Ferien zu haben? Es ist herrlich: Ich stehe auf und browse mich zuerst mal durch die ganze Medienlandschaft. Dann schreibe ich an Programmen, denke mir neue Sachen aus, ohne Ablenkung.

Sie treten ein schweres Erbe an. «Giacobbo/Müller» hatte Kultstatus. Das Beste waren die Parodien der beiden. Was bieten Sie in dieser Richtung?
Das Figurenkabinett der beiden ist grossartig. Ich lasse mich mit meinem Team von der Aktualität leiten. Wenn es sich anbietet, einen Bundesrat zu parodieren, dann mache ich das. Aber es sollte keine Vorgabe und kein Zwang sein, jedes Mal eine solche Nummer zu haben.

Wen parodieren Sie besonders gerne?
Lieblingsfiguren habe ich nicht. Ich brauche ja Politiker in der Parodie, um ihnen etwas in den Mund zu legen, was sie sonst nicht in dieser Deutlichkeit sagen würden. Das macht es lustig. Vielleicht wird Karin Keller-Sutter bald ein Thema. Die Parodie von Johann Schneider-Ammann hat erst nach seiner Rede zum Tag der Kranken wirklich funktioniert, weil vorher niemand wusste, wie er spricht. Das war so etwas wie ein magischer Moment für mich.

Kurt Aeschbacher sagte in der Abschieds-Hommage, die ihm SRF widmete, Sie hätten Ihre Karriere darauf aufgebaut, dass Sie ihn als Schwulen veräppelt hätten. 
Ich habe seinen gefühlvollen Umgang mit Gästen parodiert, und dafür habe ich immer viel Lacher bekommen. Ja, und dass ich jetzt auch noch seinen Sendeplatz bekomme, bereitet mir schon fast ein schlechtes Gewissen.

Wer wäre Ihr Lieblingsgast?
Ich persönlich bin ein grosser Fan der «Daily Show» und würde natürlich gerne mal öffentlich mit Moderator Trevor Noah talken. Hingegen mit dem Bachelor einen Talk zu führen, dazu müsste mich SRF-Chefin Nathalie Wappler schon eher zwingen.

Viele antworten auf diese Frage: der Papst.
Gut, der Papst ist ja nur der Vertreter des Chefs auf Erden. Ich denke, wenn schon, dann eher der Chef selber ... gegen das Interviewende hin werde ich noch grössenwahnsinnig.

Sie werden jetzt zehn Sendungen moderieren. Wissen Sie bereits, in welches Land es Sie danach zieht?
Pakistan finde ich ein faszinierendes Reiseziel. Jene Länder, die ich mehr in den News sehe als in einem Touristenprospekt, reizen mich mehr zum Bereisen. 

Auch nicht ganz ungefährlich.
Das ist so ein Denken, das wir haben. Wir hören: Terroranschlag in Ägypten, und stellen uns vor, das betreffe das ganze Land. Zum Reisen muss man nicht besonders mutig sein. Aber ich gehe einfach dem nach, was mich interessiert. Das fängt bei den Reisezielen an. Auch wenn manche Leute meinen diesbezüglichen Geschmack seltsam finden mögen.

Passionierter Parodist

Der gebürtige Zuger Michael Elsener (33) hat Politikwissenschaften studiert. Seit 2006 tourt er mit abendfüllenden Soloprogrammen durch die Schweiz. Mit Auftritten in der SF-Satiresendung «Giacobbo/Müller» machte er sich einen Namen als Politkabarettist. Elsener beherrscht viele Dialekte und parodiert bekannte Leute. Dazu gehören alt Bundesrat Moritz Leuenberger (72), Kurt Aeschbacher (70), Ueli Schmezer (57), Christa Rigozzi (35) und Roger Federer (37). 2011 erhielt er den Prix Walo. Über sein Privatleben hält er sich bedeckt.

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Der gebürtige Zuger Michael Elsener (33) hat Politikwissenschaften studiert. Seit 2006 tourt er mit abendfüllenden Soloprogrammen durch die Schweiz. Mit Auftritten in der SF-Satiresendung «Giacobbo/Müller» machte er sich einen Namen als Politkabarettist. Elsener beherrscht viele Dialekte und parodiert bekannte Leute. Dazu gehören alt Bundesrat Moritz Leuenberger (72), Kurt Aeschbacher (70), Ueli Schmezer (57), Christa Rigozzi (35) und Roger Federer (37). 2011 erhielt er den Prix Walo. Über sein Privatleben hält er sich bedeckt.

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