Kein Zweifel: Eva Nidecker (38) ist auch in der zweiten Staffel der Höhepunkt der SRF-Sexserie «Liebesleben». Unbeschwert und locker plauderte die Baslerin gestern Abend wieder über die schönste Nebensache der Welt. Man vertraut sich dieser Frau gerne an, möchte ihr alles erzählen. Vielleicht auch, weil sie nicht so offensiv drauflos sexelt wie Paula Lambert (43), die Moderatorin der Sendung «Paula kommt» auf dem Frauensender Sixx. Diese prollt ja rum, dass sie schon 5000 Orgasmen hatte.
Schade nur: Die knisternden Momente, die uns in der ersten Staffel so wuschig machten, fehlten gestern. Vor einem Jahr war es gerade der Reiz, dass normale Paare über Ansprüche, Wünsche und Erfüllungen in Beziehungen erzählten. Man konnte herrlich vergleichen, sich ärgern – ja neidisch auf Leute blicken, die sich auch in Langzeitbeziehungen noch richtige Bettenschlachten liefern.
Fand SRF keine gewöhnlichen Menschen?
Gestern ging es nun um die käufliche Liebe. Wieder einmal. Hatte SRF Mühe, gewöhnliche Menschen zu finden, die authentisch aus der Kiste plaudern? Mit Küsschen und viel Empathie begrüsste Eva Nidecker die Sex-Profis. So gern man die neue SRF-Liebeslehrerin rühmt – da hätte man sich ein bisschen weniger Vereinigung gewünscht.
Vieles wirkte didaktisch, die Hormone wollten nicht so richtig fliessen. Man erwartete ja keine Gute-Nackt-Geschichten mit pornografischen Einlagen. Aber zumindest ein bisschen Einblick in die Arbeit der Protagonisten hätte man sich schon gewünscht. Statisch wie in «Sternstunde Philosophie» sassen sie auf lauwarmen Stühlen. Und redeten und redeten, aber es wollte sich zu Hause nichts regen. Nicht mal ein erigierter Zeigefinger.
88-Jähriger geht zur Bodyworkerin
Die Geschichte des 88-jährigen Beni, der dem Altersheim gelegentlich mit einem Chauffeur entflieht und die Dienste einer Sexbegleiterin in Anspruch nimmt, war noch am sinnlichsten. Die Frau des Rentners war an Alzheimer erkrankt und ertrug keine Berührungen mehr. «Ich wollte jemanden zum Kuscheln. Ich nahm ja meiner Frau nichts mehr weg, sie konnte mir ja nichts mehr geben», erzählte Beni. Es wäre schön gewesen, wenn die Bodyworkerin den alten Mann zumindest einmal in die Arme genommen hätte, damit klar geworden wäre, dass es hier nicht nur um Stutz geht. «Ich bin jünger und fröhlicher geworden», sagte Beni strahlend. Das hätten wir gerne nicht nur gehört, sondern auch gesehen.
Nicht besonders prickelnd waren auch die Erzählungen von Callboy Juan (40) und seiner Stammkundin Yvonne (49). Er habe Frauen immer gerne auf Händen getragen, sie verwöhnt, versicherte er, und er möge bei den Aktionen, wenn er selber berührt werde. «Frauen stellen ganz andere Ansprüche. Alles geht mehr in die Breite, mehr in die Tiefe», meint er. «Ganz selten geht es nur um Sex.» Und die maskierte Yvonne erzählte, dass sie sich bei ihm geborgen und aufgehoben fühle. Ach, das klang alles so schön, aber liess einen irgendwie kalt.
72-Jähriger bei der Domina
Auch die süssen Ausführungen von Domina Viktoria (30), die dem 72-jährigen Peter den Hintern versohlt, brachten wenig neue Erkenntnisse. Gewieft sprach sie von den Gefühlen, die bei solchen Spielen im Spiel sind. «Das Risiko ist schon vorbei, dass ich mich in sie verliebe», sagte der Masochist, der die Hiebes-Liebe mag, säuselnd. «Ich bin es schon.» Ihre Beziehung sei «stimmig und schön», versicherte Viktoria, die ihrem Kunden gerne die Brustwarzen und Geld abzwackt. Fast hätte man geweint. So läuft das alles also.
Schade, dass SRF die Serie mit der sinnlichen Eva Nidecker nicht zur sinnlichen Aufklärungsreihe weiterentwickelt hat. Wir erinnern uns an die ARD-Serie «Wie liebt Deutschland?» von Reinhold Beckmann, eine Bestandsaufnahme, wie eine Nation um den Sex kämpft.
Nächstes Mal geht es in der Sendung «Liebesleben» um den digitalen Sex – um sogenannte «Dick Pics», sogenannte «Schnäbi-Fotos», die heute bei jungen Leuten anscheinend ein Renner sind. Zumindest bildlich wird die Sendung also noch wachsen. Gerne freuen wir uns aber wieder auf ganz normale Menschen. Die unspektakulär von den Problemen bei der Löffelstellung erzählen, wenn sie SRF ausgeschaltet haben.
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