Ab Dienstag (SRF 1, 20.05 Uhr) bringt Mike Müller (55) in der siebten «Bestatter»-Staffel seine letzten Leichen unter die Erde. In der ersten Folge beschäftigt ihn ein Mord auf der Pferderennbahn im Aarauer Schachen. Auch wenn einem nie sterbenslangweilig wird im grossen Finale – in die makabre Serie ist Routine eingekehrt. Die Pointen kommen etwas lau aus der Gruft, und der Hauptplot greift keine überdimensionalen Themen wie Organhandel oder das Sektenwesen mehr auf.
Am Anfang war das Sterben grossartig: Der «Bestatter» war die späte Antwort von SRF auf die US-Kultserie «Six Feet Under». Als die Serie vor 14 Jahren zu uns kam, wurde am TV zwar schon inflationär gestorben – auch in diversen Krankenhaus-Serien wie «Grey's Anatomy». Aber die Totengräber-Serien, zu denen sich ab 2013 der «Bestatter» gesellte, waren die wohltuende Reaktion auf die vielen Pathologen und forensischen Ermittler.
2015 auf dem absoluten Höhepunkt
2015 hatte das makabre Leichenversenken auf SRF seinen Höhepunkt erreicht. Über 40 Prozent Marktanteil holte die untergründig erzählte Serie inzwischen in der dritten Staffel. Der BLICK jubelte: «‹Der Bestatter› ist so herrlich fern von Style und Ernst, ja er ist eine köstliche Grande Bouffe.» Mike Müller alias Luc Conrad hatte sich den Magen mit so viel Pizza vollgestopft, dass man befürchten musste, er sehe die Radieschen bald von unten.
SRF montierte den Satz übers grosse Fressen sogar als Werbeslogan in seine Trailer. SRF-Fiktionschef Urs Fitze (61) sagt bilanzierend: «Mit dem ‹Bestatter› haben wir das schwierige und oft verdrängte Thema des Umgangs mit unseren Toten ernst genommen, doch mit Humor und Leichtigkeit erzählt und damit scheinbar einen Nerv der Zeit getroffen.»
Kommt ein Reality-Krimi?
Im Juni 2018 begrub Müller mit der Ankündigung der letzten Staffel den «Bestatter» eigenhändig, mit den Worten, man dürfe erfolgreiche Dinge «nicht ausquetschen wie eine Zitrone». Die Frage ist, ob er instinktiv spürte, dass die skurrile Serie mit ihren grotesken Dialogen den Zeitgeist nicht mehr ganz trifft? In Zeiten, in denen Umweltfragen und ökonomische Unsicherheit die Menschen bewegen und Europa auseinanderzubrechen droht, ist mehr Ernsthaftigkeit gefragt – auch in Serien. «Wilder» ist ein Beispiel dafür, wie solche Stoffe spektakulär mit der Schweizer Landschaft kombiniert werden können.
Tatsache ist gleichfalls: Nach Forensiker- und Mystery-Serien entdecken die TV-Macher gerade ein neues Genre – den Reality-Krimi, der vom voyeuristischen Kitzel des Authentischen lebt. Sprich: Es werden bekannte, effektiv passierte Fälle nacherzählt. Vielleicht ist das auch der Grund, warum das Dino-Format «Aktenzeichen XY... ungelöst» in einer aufgefrischten Version wieder steigende Quoten ausweist.
Vorwärts in die Vergangenheit
Wie es weitergeht nach dem «Bestatter», darüber hält sich SRF noch bedeckt. Urs Fitze lässt sich zumindest entlocken: «Mir sind in letzter Zeit ein paar historische Krimiserien positiv aufgefallen. Herausragendes Beispiel in dieser Kategorie ist zweifellos ‹Babylon Berlin› von Tom Tykwer. Und in Österreich wird zurzeit eine mehrteilige Krimiserie produziert, die im ausgehenden 19. Jahrhundert spielt und in der der junge Sigmund Freud als Profiler die Polizei unterstützt.»
«Bestatter»-Produzent Markus Fischer (65) hätte selber Erfahrung im Bereich des Reality-Krimis – so wollte er Silvio Huonders (64) Roman «Die Dunkelheit in den Bergen» verfilmen. Darin geht es um ein echtes Verbrechen aus dem Jahr 1821 in Bonaduz GR, als in der Weihermühle der Müller und zwei Mägde ermordet wurden. «Leider ist das Projekt gestorben. Sehr schade, es war ein genialer Stoff. Vielleicht steigt ja Netflix noch ein», sagt Fischer. Im Weiteren meint er sibyllinisch: «Nach dem ‹Bestatter› ist vor dem ‹Bestatter›».
Grosser Erzählbogen
SRF-Fiktionschef Fitze weitet den Bogen: «Grundsätzlich scheint die Entwicklung eher weg vom klassischen Krimi in Richtung Drama zu gehen.» Er erwähnt Serien wie «Narcos» auf Netflix oder «4 Blocks», die beide zwar Krimielemente enthalten, aber ihre Energie viel stärker aus dem (Familien-)Drama ziehen. «Einen übergreifenden Trend sehe ich hinsichtlich der Erzählweise: mehr horizontal und weniger vertikal. Es gibt nunmehr einen grossen Erzählbogen, der sich über die ganze Staffel spannt, und nicht in jeder Episode eine abgeschlossene Geschichte, wie das bei früheren Krimiformaten oft zu sehen war. Auffallend ist auch, dass die Staffeln eher weniger Folgen haben als früher.»
Was mit Conrad und Giovanoli passiert
Und was passiert mit «Bestatter» Mike Müller und Barbara Terpoorten (43), die die Kommissarin Anna-Maria Giovanoli spielte und in der Serie zeitweilig mit Luc Conrad liiert war? Terpoorten konzentriert sich in nächster Zeit aufs Theater und übernimmt eine Regiearbeit im Wallis. «Ansonsten würde ich mich gern im Drehbuchschreiben fortbilden.» Müller hat den «Bestatter» zwar eingesargt und geht dieses Jahr samt Viktor Giacobbo (66) mit dem Circus Knie auf Tournee – ist aber weiterhin mit SRF in Kontakt. «Wir unterhalten uns regelmässig.» Wenn etwas komme, was passe, nehme er es gerne an. «Am wichtigsten war mir stets, unabhängig zu sein. Meine Basis ist und bleibt die Bühne. Hier habe ich mein Handwerk gelernt, hier kann ich es schärfen.»
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