Quoten-Debakel der SRF-Sex-Serie
Bei «Seitentriebe» macht das Publikum schlapp

Die Lust bei den Zuschauern an «Seitentriebe» vertrocknet: Die Serie hat schon nach einer Woche rund 100’000 Zuschauer verloren. Doch SRF arbeitet schon an einer zweiten Staffel.
Publiziert: 06.03.2018 um 23:46 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:30 Uhr
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Gianni (Nicola Mastroberardino) ist voll im Babyfieber.
Foto: SRF/Nikkol Rot
Peter Padrutt

Bei der SRF-zwei-Serie «Seitentriebe» erschlafft der Trieb der Zuschauer: Noch 258’000 (Marktanteil 14,5 Prozent) resp. 245’000 Zuschauer (14,2 Prozent) schauten sich am Montag die dritte und vierte Folge der Reihe an. Letzte Woche waren es rund 100’000 Zuschauer mehr.

Es zeigt sich immer deutlicher: Vera Bommer als Nele und Nicola Mastroberardino als ­ Gianni – eigentlich zum Anbeissen gut aussehend – handeln oft unglaubwürdig. Gianni wollte am Montag plötzlich Kinder, während seine Frau brabbelte: «Am Anfang sind Kinder kleine Trottel – nachher sind es grosse Trottel.» Und sonst? Die Männer ergossen am Lagerfeuer intime Geständnisse, während Clara (Sunnyi Melles) in einer Frauenrunde Nachhilfe in Selbstbefriedigung gab. Sie wühlte in einer Papaya, bevor sie abrupt von dieser Welt ging – sie wurde von einem Auto überkarrt. Das war so unmotiviert schräg, dass es fast schon lustig wirkte.

Dialoge nur selten mit Esprit

Die Serie weiss nicht, ob sie eine Sitcom oder ernsthaft sein will. Den einzelnen Folgen fehlt der Spannungsbogen – die Figuren spulen schablonenartig Sätze ab, die wie aus dem Zitaten-Lexikon wirken. Vieles wirkt unmotiviert: etwa wenn Sohn Timo (Jérôme Humm) die Waffe auf seinen Vater richtet – und dieser erschreckend teilnahmslos reagiert.

Nur selten haben die Dialoge Esprit – etwa wenn Giannis Bettgefährtin zu dessen Ehefrau Nele sagt: «Du bist klug, du bist schön, du wirst geliebt, und du hast jemand, der alles für dich macht. Ich wollte einfach mal dieses Gefühl haben, so wie du zu sein.»

Im Herbst soll eine zweite Staffel gedreht werden

Stehen die «Seitentriebe» vor dem Austrocknen? «Der Rückgang der Einschaltquoten kam für uns nicht unerwartet», sagt SRF-Fiktionschef Urs Fitze (60). «Die neuen Zahlen sind aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie bei «Grey’s Anatomy», der bislang bestlaufenden Serie auf diesem Sendeplatz», sagt er. Ausserdem laufe die Serie online gut. Er fügt an: «Wir haben bereits im letzten Jahr, nach Fertigstellung der Serie, mit der Entwicklung der zweiten Staffel begonnen und planen, in diesem Herbst weitere acht Folgen zu drehen. Aber wir warten die Auswertung der ersten Staffel ab und entscheiden dann, wie es weitergeht.»

Die SRG will nach dem deutlichen Nein zu No Billag mehr Fiktion produzieren. «Mit der Serie ‹Seitentriebe› wollen wir bewusst ein anderes, jüngeres Zielpublikum ansprechen, und das gelingt uns bislang sehr gut», meint Fitze.

Die Frage ist, ob die Serie «Seitentriebe» mit besseren Pointen gedüngt noch ausschiessen kann. Gärtner wissen: Seitentriebe sollte man eigentlich entfernen.

Sex ohne Risiko

Kommentar von People-Redaktor Jean-Claude Galli

Was will die neue SRF-Serie «Seitentriebe»?

«Sie beschäftigt sich auf humorvolle Weise mit dem Liebesleben in Langzeitbeziehungen», sagt der Pressetext. Nennen wir es doch beim Namen: Es geht um Sex, die Trumpfkarte, wenn es darum geht, Quote zu machen, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Neugierde zu wecken. Das Publikum folgt seinem Trieb, erwartet explizite Handlungen und will wissen, wer sie sich weshalb ausgedacht hat.

Die Urheberin, Drehbuchautorin und Co-Regisseurin Güzin Kar, hält sich dazu in Interviews bedeckt. Das ist ihr gutes Recht. Doch gleichzeitig ist es irritierend, weil sie vermutlich weiss, dass ein Spitz nervös wird, wenn der Metzger mit der Wurst wedelt. Natürlich muss ein Krimischreiber nicht Mörder sein, um zu reüssieren. Doch starke Filme wie der für fünf Oscars nominierte «Lady Bird» von Greta Gerwig strotzen vor autobiografischen Bezügen.

Als der Sendetermin der Serie feststand, wurden die Aufmerksamen hellhörig. Ist es für das SRF nicht riskant, fragten sie sich, eine knappe Woche vor der No-Billag-Abstimmung Schlüpfrigkeiten zu servieren? Sie vermuteten, zarte Gemüter könnten sich darüber aufregen und doch noch ein Ja in die Urne legen. Die Antwort ist eindeutig Nein, zumal die «Seitentriebe» (absichtlich?) der vollen Aufmerksamkeit entzogen und auf SRF zwei «parkiert» wurden.

Der Reihe fehlt schlicht die Härte, um viele gegen sich aufzubringen. Und es mangelt ihr an Freizügigem, um Voyeuristen anzulocken. Formate wie «Naked Attraction» auf RTL II sind da ehrlicher. Aber plumper und bei einem öffentlich-rechtlichen Sender fehl am Platz.

Kommentar von People-Redaktor Jean-Claude Galli

Was will die neue SRF-Serie «Seitentriebe»?

«Sie beschäftigt sich auf humorvolle Weise mit dem Liebesleben in Langzeitbeziehungen», sagt der Pressetext. Nennen wir es doch beim Namen: Es geht um Sex, die Trumpfkarte, wenn es darum geht, Quote zu machen, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Neugierde zu wecken. Das Publikum folgt seinem Trieb, erwartet explizite Handlungen und will wissen, wer sie sich weshalb ausgedacht hat.

Die Urheberin, Drehbuchautorin und Co-Regisseurin Güzin Kar, hält sich dazu in Interviews bedeckt. Das ist ihr gutes Recht. Doch gleichzeitig ist es irritierend, weil sie vermutlich weiss, dass ein Spitz nervös wird, wenn der Metzger mit der Wurst wedelt. Natürlich muss ein Krimischreiber nicht Mörder sein, um zu reüssieren. Doch starke Filme wie der für fünf Oscars nominierte «Lady Bird» von Greta Gerwig strotzen vor autobiografischen Bezügen.

Als der Sendetermin der Serie feststand, wurden die Aufmerksamen hellhörig. Ist es für das SRF nicht riskant, fragten sie sich, eine knappe Woche vor der No-Billag-Abstimmung Schlüpfrigkeiten zu servieren? Sie vermuteten, zarte Gemüter könnten sich darüber aufregen und doch noch ein Ja in die Urne legen. Die Antwort ist eindeutig Nein, zumal die «Seitentriebe» (absichtlich?) der vollen Aufmerksamkeit entzogen und auf SRF zwei «parkiert» wurden.

Der Reihe fehlt schlicht die Härte, um viele gegen sich aufzubringen. Und es mangelt ihr an Freizügigem, um Voyeuristen anzulocken. Formate wie «Naked Attraction» auf RTL II sind da ehrlicher. Aber plumper und bei einem öffentlich-rechtlichen Sender fehl am Platz.

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