75 Jahre ARD
Hier läuft mehr als nur «Tatort»

Die ARD feiert ihren 75. Geburtstag. Wir blicken zurück auf die bewegte Geschichte des TV-Senders.
Publiziert: 06.04.2025 um 16:36 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2025 um 10:13 Uhr
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ARD feiert sein 75-jähriges Bestehen. Nicht mehr dabei sind die ehemaligen Maskottchen Äffle und Pferdle.
Foto: Von Lang-film - Eigenes Werk

Darum gehts

  • ARD feiert 75-jähriges Jubiläum als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt in Deutschland
  • Komplexe Struktur mit neun autonomen TV-Kanälen und gemeinsamen Programm «Das Erste»
  • Über 1300 «Tatort»-Folgen seit 1970 ausgestrahlt, «Tagesschau» mit 10 Millionen Zuschauern
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Regula Elsener, TELE

Vor 75 Jahren wurde mit diesem Namen deutsche TV-Geschichte geschrieben: «Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland». «Ha noi, e bissle dumm isch der fei scho», fanden damals sicher auch die Maskottchen Äffle und Pferdle. Aber zum Glück brauchte man sich ja nicht den ganzen Namen zu merken, die drei Anfangsbuchstaben reichten: ARD.

So kennt man den Sender auch bei uns, wobei «Sender» nicht ganz korrekt ist. Vorsicht, jetzt wird es knifflig: Als ARD bezeichnet man eigentlich nur die besagte Gemeinschaft. Die bestand anfangs aus sechs regionalen Radioanstalten. Nach Zu- und Abgängen beteiligen sich an der ARD heute neun Sendehäuser: BR, NDR, WDR, MDR, SR, SWR, RBB, HR, Radio Bremen.

Die sogenannten Dritten betreiben unter autonomer Führung einerseits ihr eigenes Vollprogramm und «liefern», entsprechend ihrer Grösse, einzelne Formate für den gemeinsamen Kanal: Das Erste. So viel zur Entstehung, die aber nicht unwichtig ist, um das Konstrukt ARD und seine Komplexität zu verstehen. Anders formuliert: Es erklärt, warum Das Erste oft träge und wenig innovativ erscheint.

Ein Artikel aus «Tele»

Das ist ein Beitrag aus «Tele». Das Fernsehmagazin der Schweiz taucht für dich nach den TV- und Streamingperlen.

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Äffle und Pferdle sind längst in Rente

Eine Portion Witz steuerten viele Jahre «s Äffle» und «s Pferdle» bei. Die zwei werden aber (leider) schon seit Mitte der Nullerjahre nicht mehr als Werbetrenner eingesetzt. Als Merkmal gelten auch die «Tatort»-Augen, die uns jeden Sonntag um 20.15 Uhr beobachten. Am 29. November 1970 lief die erste Folge, seither sind gut 1300 hinzugekommen. Längst ist die Reihe mehr als das übliche Katz-und Mausspiel von Täter und Ermittler. Man nimmt bewusst gesellschaftskritische Themen auf. Oder wie einst die «Frankfurter Rundschau» schrieb: «Die Krimiserie bildet die bundesrepublikanische Realität ab.»

Fast noch stärker tat dies die «Lindenstrasse», die von 1985 bis 2020 alle möglichen Themen anpackte: von Liebe und Hass über Krankheit und familiäre Probleme bis zu Drogen, Suizid, Extremismus und was das menschliche Zusammenleben sonst noch hergab. Natürlich wollte und will Das Erste sein Publikum aber auch unterhalten. Zu den legendärsten Shows zählt «Einer wird gewinnen» (1964–1987), das voll und ganz auf seinen Gastgeber Hans-Joachim Kulenkampff (1921–1998) zugeschnitten war. Heute würde seine oftmals recht joviale Art wohl feministische Proteststürme auslösen. Damals aber sah man «Kuli» alles mit einem Augenzwinkern nach.

Sogar das obligate Überziehen der Sendezeit, womit er gern kokettierte. 1984 beendete er eine Ausgabe extra früher und sagte spitzbübisch: «Und jetzt überlegt euch mal, liebe Kinder, was ihr in diesen neun Minuten machen wollt.» Darauf war man beim Sender nicht vorbereitet und zeigte minutenlang das Testbild. Ein Stück deutsche TV-Geschichte schrieb auch der «Musikantenstadl»: Er lief über 200 Mal (1981–2005 mit Karl Moik; danach bis 2015 mit Andy Borg).

Zwei Schweizer machten die ARD-Shows gross

Aus Unterhaltungssicht ebenfalls nicht wegzudenken ist natürlich «Verstehen Sie Spass?». Als es Kurt und Paola Felix 1983 mit dieser Show ins Hauptabendprogramm schafften, waren sie in der Schweiz längst Stars. Nach ihrem Abschied versuchten sich bekannte Gesichter wie Harald Schmidt, Frank Elstner oder aktuell Barbara Schöneberger mit der versteckten Kamera. Doch ans Felix’sche Original kam niemand heran – und das hat nichts mit Lokalpatriotismus zu tun.

Abgesehen von den Shows ist bei der ARD ansonsten alles einen Tick ernsthafter als bei anderen, angefangen bei Satireformaten bis hin zu den News- und Politflaggschiffen. In Letzteren (etwa «Monitor» und «Panorama») wurden vor allem in den 70er- bis 90er-Jahren fast schon dogmatisch eher linke Botschaften unters Volk gebracht.

Kein Wunder sahen konservative, regierungstreue Kreise hier entsprechend schnell rot. 1999 kanzelte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) einen Journalisten ab: «Sie sind doch von ‹Panorama›! Wissen’s, was das heisst: Sie haben mit Journalismus gar nix zu tun!» Gerade bei «Panorama» kam es immer wieder zu Skandalen: So verschwand 1982 während der Livesendung ein Beitrag des späteren «Spiegel»-Chefredaktors Stefan Aust, in dem er über die Verhaftung des bayerischen Staatsschutzchefs berichtete. Die besagte Kassette tauchte nie wieder auf ...

Nicht selten war die ARD auch Vorreiterin. Haben Sie sich etwa schon einmal gefragt, warum das Hauptabendprogramm fast überall im deutschsprachigen Raum (abgesehen von SRF) stets um 20.15 Uhr anfängt?

Angelina Jolie sagt die «Tagesschau» an

«Schuld» ist die «Tagesschau», die älteste und bis heute meistgesehene Sendung im deutschen Fernsehen. Seit 1952 ertönt um Punkt acht ein Gong, danach: «Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der ‹Tagesschau›». Gesprochen wird der Satz seit 2014 von Claudia Urbschat-Mingues, der Synchronstimme von Angelina Jolie.

Noch immer schalten im Schnitt rund 10 Millionen Menschen ein und bleiben brav 15 Minuten sitzen. Daher scheiterten Sat.1 und Pro7 in den 1990er-Jahren kolossal, als sie versuchten, dieses TV-Ritual zu durchbrechen, und ihre Primetime früher starteten. Solide, beständig, vertrauenswürdig – mit diesen drei Attributen lassen sich die bisherigen 75 Jahre ARD ziemlich gut zusammenfassen.

Wobei 2022 ausgerechnet das Vertrauen arg strapaziert wurde: Gleich mehrere Finanz- und Vetternwirtschafts-Skandale in den Chefetagen der autonom geführten Sender hatten das Konstrukt gehörig durchgeschüttelt. Und kosteten nicht zuletzt viele Sympathien. Denn: Gerät einer der neun «Bündnispartner» ins Kreuzfeuer, fällt das erfahrungsgemäss auf die gesamte ARD zurück.

Die kann zwar noch immer auf ein treues Publikum zählen, stärker denn je müssen aber öffentlich-rechtliche Sender ihre Gebühren gegenüber Kritikern, Politik und dem Publikum rechtfertigen (das gilt auch für SRF, ZDF und ORF). «S Äffle» und «s Pferdle» würden da wohl sagen: «Ha noi, alde Lieb roschded nedd – abbr schimmlig werda ko se nadierlich scho.»

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