Frau Jones, Sie sind der schrillste Travestie-künstler. Warum schreiben Sie im Kinderbuch «Keine Angst in Andersrum» über Homosexualität?
Olivia Jones: Die Tochter eines Freundes kam eines Tages aus der Schule und hatte ein neues Schimpfwort: schwul! Das war für mich der Auslöser, ein Buch zu schreiben.
Wie oft wurden Sie selbst als schwul beschimpft?
Eigentlich mein ganzes Leben lang. Auch heute pöbeln mich noch Leute an.
Bleibt es dabei nur bei Verbalattacken?
Während meiner Schulzeit griffen mich regelmässig Rechtsradikale an und verfolgten mich. Für die war ich eine Provokation.
Wie muss man sich das vorstellen?
Da fliegen dann auch mal die Fäuste. Aber Gott sei Dank hatte ich immer einen Pfefferspray dabei und konnte mich verteidigen. Für einen jungen Menschen in der Selbstfindungsphase ist das der absolute Horror.
Wie hat sich Ihre Familie in diesen Situationen verhalten?
Für sie war es nicht einfach. Deshalb konnte ich nicht immer auf ihren Rückhalt zählen.
Inwiefern?
Meine Situation war für sie schwer nachzuvollziehen. Ich war 15 Jahre alt und nicht nur schwul, sondern hatte auch diesen Verkleidungswahn.
Wann haben Sie Ihren Wunsch, anders zu sein, akzeptiert?
Mit 20! Ich habe oft darüber nachgedacht, dass es vielleicht doch der falsche Weg ist, den ich da gehe. Es ging so weit, dass ich dachte, ich müsse mich für das, was ich bin, schämen.
Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Als ich von meinen Shows als Travestie-künstler leben konnte, wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Das war sicher nicht der Weg, den sich die Familie für Sie wünschte ...
(lacht) Wenn es nach ihnen gegangen wäre, wäre ich jetzt Versicherungskaufmann – und unglücklich.
Haben Sie nie an sich gezweifelt?
Natürlich, aber das hat meine Persönlichkeit gestärkt. Ganz ehrlich: Hätte ich die Wahl für einen normalen Weg gehabt, ich hätte ihn gewählt. Wenn sich heute noch immer mehr homosexuelle als heterosexuelle Jugendliche das Leben nehmen, dann ist die Gesellschaft noch lange nicht so weit.
Hatten Sie auch Suizidgedanken?
Ja, die waren da. Aber ich hatte ein gutes Umfeld, das mir Kraft gab.
Was macht Ihnen heute Angst?
Die Entwicklung der Gesellschaft, wenn Menschen wegen ihrer Religion oder Sexualität ausgegrenzt werden.
Was bedeutet Glück für Sie?
Sich selbst auszuleben und sich gefunden zu haben.