Lieber Bob
Ich habe soeben hier auf Teneriffa, meinem zweiten Wohnsitz, erfahren, dass Dir die höchste literarische Auszeichnung der Welt zuteilwurde. Das war Musik in meinen Ohren! Du hast diesen Nobelpreis verdient. Deine Texte sind wirklich grandios. Sie sind Direkt, quer und um die Ecke erzählt. Aber immer einmalig.
Du und ich – wir sind seelenverwandt. Du hast mich mit Deiner Musik enorm geprägt. Von Dir habe ich gelernt, dass man sich stets weiterentwickeln und Neues ausprobieren muss.
Der erste Dylan-Song, den ich hörte, war «Mr. Tambourine Man». Ich spiele ihn noch immer! Ich musste mich nicht einmal anstrengen, deine Stimme zu imitieren. Sie klingt einfach ähnlich wie die Deine. Vermutlich hast Du auch eine Nasenscheidewandverkrümmung wie ich.
1993 habe ich eine ganze Scheibe mit Liedern von Dir rausgebracht, die ich auf Mundart übertragen habe. Es war eine unglaublich dichte, kreative Zeit. Zuerst gab es Kritik. «Man kann doch Dylan nicht ins Schwiizertüütsch übersetzen!», hiess es. Doch als das Album rauskam, bekam ich viel Beifall. Den verdank ich vor allem Dir, lieber Bob.
Doch es sollte noch besser kommen. Good-News-Boss André Béchir rief mich an: «Hättest du Lust, mit den Sauterelles im Vorprogramm von Bob Dylan aufzutreten?»
Wow!!! Und ob ich Lust hatte, was für eine Frage! 1998, am «Out in the Green»-Festival war es so weit. Du trugst Boots, Jeans, eine grüne Jeansjacke und einen schwarzen Cowboyhut, als wir uns kurz unterhielten. Ich habe Dir meine CD überreicht, und Du hast Dich sehr gefreut. Dann bekam ich von Dir noch ein Autogramm. Ich rief Dir nach: «Thanks for your songs!»
Eines Deiner Lieder spiele ich fast bei jedem Gig: «The Times They Are A-Changin’». In meiner Mundart-Interpretation erzähle ich, dass der Song nichts an Aktualität verloren hat. Die heutige Generation soll ihr Schicksal selber in die Hand nehmen und handeln statt «schnurre». Vor allem junge Leute sollten ihn hören, denn er ist sehr aktuell. Er handelt davon, dass man mehr handeln soll im Leben. Und manchmal auch einfach «d Schnurre hebe». Also schweige ich jetzt auch und hoffe, dass Du mit den rund 900'000 Franken, die Du für den Nobelpreis bekommst, noch viele wertvolle Songs komponierst, die mich und die Sauterelles inspirieren!
Herzlich,
Dein Toni