Sie schwärmt bis heute von David Bowie (†69). «Es war wie im Paradies mit ihm, vielleicht weil wir beide das gleiche Sternzeichen hatten. Es fühlte sich an, als ob wir uns schon immer kannten», erzählt Susi Wyss (80). 45 Jahre ist das jetzt her. Aber wie bekommt man einen Star wie Bowie ins Bett? Wyss lacht und klingt dabei wie eine junge Frau: «Wenn man lustig ist! Schliesslich war ich zehn Jahre älter als er. Ich war hübsch, aber keine Schönheit.»
Dennoch faszinierte Susi Wyss. Als 35-Jährige war die Zürcherin in der Szene von Paris längst eine Berühmtheit. Im neu erschienenen Buch «Guess Who is the Happiest Girl in Town?» (dt. «Wer ist wohl das glücklichste Mädchen der Stadt?») nimmt sie kein Blatt vor den Mund. In ihrer Pariser Wohnung lud sie zu Dinner-Partys, dort genoss der Jetset nicht nur ihre Kochkünste, sondern auch «Haschisch, LSD, Meskalin, Kokain, Liebe zu dritt, Sadomaso». Zudem standen «Massagen im kleinen Pool auf der Dachterrasse auf dem Menü.»
Liedzeilen von Iggy Pop
Iggy Pop (71) widmete Wyss sogar den Song «Girls». Darin heisst es: «Last week in Paree, I was hanging down with Suzee» (dt. «Letzte Woche in Paris hing ich mit Susi herum»). Durch ihn lernte sie Anfang der 1970er-Jahre in Berlin David Bowie kennen. Dann sei man sich zufällig wieder begegnet, Bowie reagierte zunächst skeptisch. «Bist du mir gefolgt?», wollte er wissen. Wyss blieb cool und zeigte ihm die kalte Schulter, auch als er einen Kellner an ihren Tisch schickte, um sie zu einem Drink einzuladen. Der solle persönlich kommen! Der Popstar folgte prompt – die Affäre dauerte zwei Jahre.
Bowie wollte, dass Wyss zu ihm nach Montreux zog. «Aber beim Ausgehen zeigte er sich lieber mit berühmten Leuten statt mit mir, und ich sollte daheim auf ihn warten. Dabei war ich in Paris selber eine Berühmtheit.»
Ein wahr gewordenes Erotikmärchen
Wyss’ Verführungskunst war weniger Kalkül als mehr ihre Natur. «Ich musste mich nie bemühen. Je weniger man von einem Mann will, desto mehr will er.» Hungrig aufs Leben war sie schon als junge Frau. Sie war noch keine 20 Jahre alt, als sie mit ihrem Freund nach Paris reiste, weil man in Zürich als unverheiratetes Paar kein Hotelzimmer mieten konnte. Die erste Berührung mit den Schönen und Reichen erlebte sie in Saint-Tropez, wo sie von einem aristokratischen Paar ins ausschweifende Leben eingeführt wurde. Ab diesem Zeitpunkt liest sich Susi Wyss' Biografie tatsächlich wie ein wahr gewordenes Erotikmärchen.
Mitten in den Swinging Sixties feierte sie mit Playboy Gunter Sachs (†78) und dem damaligen Sex-Symbol Brigitte Bardot (84), im Sommer planschte sie im Pool des Künstlers Salvador Dalí (†84). «Dort ging man nie allein ins Bett.» Das süsse Leben konnte sich Susi Wyss dank der Zuwendung dreier wohlhabender Männer leisten. Dennoch ging ihr Lebensstil ins Geld, das floss vor allem in ihre Partys, in Schuhe und schöne Stoffe. Die gelernte Schneiderin näht bis heute alle ihre Kleider selber – erinnerungswürdig sind die hautengen Overalls.
Vom Party- zum Callgirl
Um die Kasse aufzubessern, empfahl einer ihrer Liebhaber, ein englischer Lord, «zu hüerle». Er wolle aber ihr erster Kunde sein. Das beantwortete Wyss spontan mit einer Ohrfeige, dann stieg sie darauf ein. «Da ich gerne Liebe machte, aber mich selten verliebte, schien mir das sinnvoll.» Die Rechnung ging auf, sie bot sich nicht nur selber als Callgirl an, sondern vermittelte auch Mädchen. «Das lief alles über Beziehungen, ich hatte nie ein schlechtes Erlebnis.»
In ihrer letzten Nacht in der Branche hatte sie drei Männer, unter ihnen den Schauspieler Omar Sharif und einen Diplomaten, der ihr für einen besonderen Dienst 10'000 Franken aufs Bett legte. Dann war aber genug: «Ich war 40 und hatte keine Lust mehr auf Sex gegen Geld.»
Schweinsbraten statt Sex
Zu ihren engen Freunden gehörte auch der amerikanische Milliardärssohn und Philanthrop Paul Getty (†70). Er war es, der sie ermutigte, ihre Erlebnisse niederzuschreiben. Acht Kilo wog das auf einer Hermes Baby getippte Manuskript – auf Englisch, laut Wyss die geeignete Sprache, um über Sex zu schreiben. Erst jetzt ist daraus ein Buch geworden, mit Bildern aus einer anderen Zeit, «als man noch Menschen statt Telefone streichelte», wie es Wyss ausdrückt. «Ich bin noch immer vergnügungssüchtig, aber vom Sex habe ich genug. Die Hormone sind mir einfach davongeflogen.»
Bis heute lädt sie in ihrer Pariser Wohnung zu ihrem berühmten Schweinsbraten, die Freunde sind etwas weniger geworden. «Einsam bin ich nicht, ich hatte ein schönes Leben und bereue nichts. Alles, was ich bin, schulde ich den wunderbaren Menschen, die so grosszügig zu mir waren.»
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