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«Art or Trash Cinema Podcast": Abseitige Filme im Gespräch

Der «Art or Trash Cinema Podcast» versorgt die Schweiz mit kunterbuntem Filmwissen - und auch happiger Kost. Die drei Macher scheuen das Rampenlicht.
Publiziert: 24.07.2020 um 15:40 Uhr
Die drei Macher des Podcasts "Art or Trash Cinema" bleiben lieber anonym. Underground- und Independent-Filmen, die auch mal provozieren, aber auf jeden Fall in der Nische existieren, geben sie eine Plattform.
Foto: GAETAN BALLY

Über das Aussehen des Wassermonsters geraten Florian und Martin ins Schwärmen. Ansonsten haben sie einiges auszusetzen an «Sea Fever». Sie vermissen die Spannung, die Figuren lassen sie kalt. «Alles zu vanilla», tadeln sie den Meeres-Thriller, der am diesjährigen Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) im Juli zu sehen war.

Kino der obskuren Sorte mögen die Macher des «Art or Trash Cinema Podcast» besonders. Der Cast besteht aus drei Freunden: Florian, 29, Jurist in Zürich, Martin, 31, Architekt in der Zentralschweiz, und Jan, 32, Gastronom in Bern.

Ihre Nachnamen geben sie den Zuhörerinnen und Zuhörern nicht preis. Auch die Presse, die sie im Luzerner Stattkino treffen, bitten sie um Anonymität. «Ich habe nicht das Gefühl, dass der Podcast karriereförderlich ist», sagt Jan.

Persönlich haben sie zwar keine Erfahrung gemacht, die diese Bedenken belegen würde. Doch sie verweisen auf die Kontroverse um «Mad Heidi». Die Kantonspolizei Zürich entliess im März 2019 einen ihrer Flughafen-Mitarbeiter, weil er als Co-Autor des Drehbuchs für die geplante Schweizer Splatter-Satire amtet. Das Verwaltungsgericht Zürich hat die Kündigung inzwischen für «massiv missbräuchlich» erklärt.

Trotzdem sind sie vorsichtig. «Werden wir danach gefragt, erzählen wir sicher von unserem Hobby, aber bei Google soll man mit den vollen Namen lieber nicht als erstes auf den Podcast stossen», sagt Florian. Es sei normal, als Podcaster einigermassen anonym zu bleiben, ergänzt Martin. «Wir drücken uns dadurch freier aus.» Letztlich, so Jan, wollten sie ja nicht über sich, sondern über Filme reden.

Für eine Episode sind sie meistens zu zweit. Jeder schaut die Filme vorher allein, um nicht von der Reaktion des anderen beeinflusst zu werden. Ihre Eindrücke und Urteile diskutieren sie anschliessend, streuen dazwischen Hintergrundinformationen ein. Fachbücher und Filmdatenbanken sind ihre Hauptquellen, andere Kritiken lesen sie kaum. «Wir machen uns lieber selbst ein Bild», sagt Florian. Als Schwerpunkte nennen die drei Autodidakten asiatisches und italienisches Kino, Horror (vor allem Florian), Fantasy und Science-Fiction (vor allem Martin).

Im Sommer berichten sie jeweils mit Sondersendungen und - mehr als Bewunderer statt als Kritiker - vom NIFFF und im Herbst vom Zurich Filmfestival. Das NIFFF fand in diesem Jahr wegen der Pandemie allerdings nur virtuell statt. Darum produzierten sie den Podcast dort, wo sonst auch: daheim in der Wohnung. Weil jeder in einer anderen Stadt wohnt, sehen sie sich für die Aufnahmen normalerweise per Video.

Angefangen hat alles in Bern, wo sich Jan und Florian beim Kellnern kennenlernten. Der Sommer 2017 flirrte vor Hitze. In einer Bar mit wenig Schattenplätzen herrschte Flaute. «Wir redeten primär über Filme, statt zu arbeiten.» Gelächter in der Runde. Florian war die Idee für einen Kino-Podcast schon länger im Kopf herumgegeistert. Jan fand, das klinge nach einer spassigen Sache. «Wir skizzierten ein Konzept, und dann legten wir einfach los», sagt Florian.

Den «Art or Trash Cinema Podcast» bezeichnen sie als Plattform für Underground- und Independent-Filme. Zwischen Klassikern und Altmeistern räumen sie Nischen, die der Algorithmus niemals auf Netflix anspülen würde, viel Platz ein.

Dabei zeigen sie manchmal die Grenzen des Geschmacks auf. Umstrittene Figuren finden sie interessant. Einmal etwa kam Heiko Muuss zum Interview vorbei, ein Winterthurer Zombiefilmer mit dem Credo «Hauptsache, es fliesst so viel Blut, wie möglich». Ein anderes Mal sprachen sie mit den beiden unter Pseudonymen auftretenden Zürchern, die 1993 die Anarchisten-Szene mit einem Kurzfilm verärgerten. «Blutgeil» wurde wegen seinen brutalen Gewaltdarstellungen verboten, was eine Debatte über Zensur und Kunstfreiheit auslöste.

Ob mit happigen Stoffen oder nicht: Die Podcaster haben den Anspruch, das filmhistorische Bewusstsein der Leute zu erweitern. Oft buddeln sie in Epochen und Ländern nach erwähnenswerten Kapiteln der Filmgeschichte.

Eine der «Genrejagden`», wie eine Reihe im Podcast heisst, führt unter anderem durch die Hochblüte der «Sword and Sorcery"-Filme in den 80er-Jahren. Jene kitschig-bizarren Kriegsabenteuer, in denen sich mythologische Helden, Barbaren oder Amazonen tummeln, sind nacherzählt auch für diejenigen unterhaltsam, die sowas ungern schauen. Genüsslich sezieren Florian und Martin die doofsten One-Liner und sonderbarsten Spezialeffekte.

Die Bar-Atmosphäre scheint im Podcast allgemein noch zu wirken, weil viel gewitzelt, gestichelt und gelacht wird.

Die Instanz für gestalterische Bemerkungen ist Martin, ehemals selbst Podcast-Hörer, der über die Reportage vom NIFFF 2019 zum Team stiess. Er erzählt schmunzelnd: «Als wir einen Horrorfilm schauten, in dem ein Kunstwerk zerstört wurde, war das für mich der grösste Horroraspekt. Mir kamen fast die Tränen. Florian schätzt das Extreme und «Emotionen, die überfordern», während Jan philosophische Analysen einwirft.

Mittlerweile hören ihnen ein paar Hundert Leute aus der Schweiz zu, vereinzelt auch aus Deutschland, Österreich und sogar den USA. «Die meisten sind wohl Filmfans, so wie wir», sagt Martin.

Mit dem aktiven Kern der Zuhörer und wenigen Zuhörerinnen tauschen Martin, Florian und Jan sich in einer Chatgruppe aus. Während des Lockdowns haben sie begonnen, mit der Gruppe online Filmabende zu veranstalten. Da die Kinos nun wieder offen sind, können sich die drei vom «Art or Trash Cinema Podcast» gut vorstellen, einmal auf Grossleinwand zu ihren Exkursionen in filmische Höhen und Tiefen einzuladen.

*Die von Keystone-SDA verfasste 14-teilige Serie zum Thema Podcasts ist mit finanzieller Unterstützung aus dem Kredit «Verständigungsmassnahmen"des Bundesamtes für Kultur zustande gekommen. Zur Verfügung stehen aktuelle Bilder von Keystone-SDA.

(SDA)

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