Slipless in Hollywood

Publiziert: 14.12.2006 um 16:34 Uhr
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Aktualisiert: 07.09.2018 um 09:45 Uhr
Von Helmut-Maria Glogger
Das Image der Jungfrau oder liebenden Mutter zieht nicht mehr – also zieht die neue Luder-Klasse blank. Die berühmtesten Pop- und Partystars zeigen nackten Schoss und Po: Im harten Kampf um Publicity sind Slips einfach out Kulturgeschichtlich betrachtet stehen Pop-Sternchen Britney Spears, Hotel-Erbin Paris Hilton und Sharon Stone («Basic Instinct») auf moralisch einwandfreiem Boden. Schliesslich trug früher die Dame von Stand «unten ohne» – nur Dirnen lockten mit Unterhosen. Gazetten zetern über Pop-Ikone Britney Spears. Die zweifache Mutter hatte es gewagt, ohne Höschen einer Limousine zu entsteigen. «Schamlos-Fotos» titelte «Bild». «Der Spiegel» sorgte sich, dass Party-Luder Paris Hilton ihrer neuen Freundin Britney wertvolle Tipps gibt: zum Beispiel, dass Unterwäsche lästig ist.Freimütig bekennt Eliot Mintz, der Pressesprecher von Hilton, dass sich Spears von Paris «inspirieren» liess, mehr Brust zu zeigen und schon mal aufs Höschen zu verzichten. Dritte im Bund ist die Schauspielerin Lindsay Lohan. Die drei beeinflussen derzeit den Stil junger Mädchen mehr als Lagerfeld, Chanel oder John Galliano. Dass «Freiheit im Schritt» weit mehr ist als die Erfindung ausgeflippter Diven, zeigt ein Blick in die Kulturgeschichte.Nun war ein nackter Frauenschoss bereits bei den Erfindern der Demokratie – den alten Griechen – ein höchst zu verehrendes Kult-Gut; zumal der Stoff damals eher rau und grob war und die Lenden nicht unbedingt zu bedecken brauchte: bei über 300 Tagen Sonne an der Ägäis und allgemeiner Nacktkörper-Kultur kein Wunder.Kein Hahn krähte im alten Rom, als sich Messalina, die Frau des stotternden Kaisers Claudius, auf hartem Gemäuer rüstigen Soldaten hingab, um den Wettstreit mit der damals berühmtesten Hure knapp mit 29 gegen 27 Männer zu gewinnen. Und wie die Ausgrabungen von Pompeji belegen, gehörte es auch sonst zum guten Ton reicherer Bürger, sich mit Damen zu vergnügen, die sowohl oben, wie unten unbedeckt waren.Die Aufregung über die Bilder der zweifachen Mutter Britney Spears, die ohne Slip breitbeinig aus einer Limousine steigt oder Fotografen gleich ihre zwei nackten Pobacken in die Linse hält, erweist sich angesichts der historischen Freizügigkeit als ziemlich verlogen: Die Männerfantasie – Frau trägt nichts drunter – war früher normaler Alltag. Unterwäsche im Sinn von «Wäsche, die direkt auf dem Körper getragen wird», kannte man nicht. Die Damen am Hofe von Versailles trugen zwar Hemden, Strümpfe und Unterröcke – aber keine Tangas, keine Slips, keine Pantys. Stattdessen schnürten sie sich in gesundheitsschädigende Korsetts, kamen mit ihren Reifröcken kaum durch die Tür und veränderten mit der Turnüre, einer Art von falschem Hintern, ihre Silhouette.Doch darunter trugen sie nichts.Was natürlich – wie Frauenarzt Dr. Fabrice Buff aus Zürich bestätigt – im Winter zu Blasenentzündung führen kann. Und nicht wenige Damen der damaligen Gesellschaft litten tatsächlich chronisch an der Infektion, zumal auch wärmende Quellen eher unbekannt waren. Nicht aus medizinischer, sondern aus katholischer Sicht fühlte sich im 16. Jahrhundert Katharina von Medici (1519–1589) berufen, diese «nackten Tatasachen» zumindest aus dem öffentlichen Strassenbild zu tilgen. Sie wollte auch bei Frauen das einführen, was der Mann bereits trug: lange Unterhosen. Natürlich vergebens.Nicht die Damen von Stand trugen diese sogenannten «Caleçons», sondern die besseren Mätressen und Dirnen in Venedig. Bei den Edeldirnen der Lagunenstadt waren die «Unterhosen» der letzte Schrei. Was wiederum die Kirche so erzürnte, dass sie kurzerhand die «Unterhosen für Damen» als «Hurenzeug» verbannte und damit vom italienischen Markt fegte.Als im 18. Jahrhundert das Frauenhöschen gegen alle Widerstände doch noch in Mode kam, setzte «Liebeskönig» Ludwig XV. die neue Errungenschaft für den Privatgebrauch gleich wieder ausser Kraft: Wenn er von einer Geliebten zur anderen stolperte, wollte er nicht erst mit dem lästigen Ausziehen von weiblichen Beinkleidern beschäftigt sein. Und war es nicht Kaiser Napoleon, der sein Leben lang zu wenig Zeit hatte, ergo die Damen seiner Wahl kurz zwischen zwei Sitzungen beglückte? Wobei auch hier die holde Weiblichkeit sich bereits von störender Stofflichkeit zu befreien hatte.Die mittlerweile erstarkte bürgerliche Moral hatte andere Sorgen: An der Opéra in Paris rutschten die Säume der Röckchen stetig höher und höher. Bis die Sittenwächter einschritten und anordneten, dass die Tänzerinnen wenigsten «ihren Unterleib mit Pantalons» verhüllen sollten.Womit die Polizei allerdings nicht gerechnet hat, waren die findigen Pariserinnen: Sie erfanden eine Unterhose, die im Schritt einen Schlitz hatte. Was also Britney Spears, Paris Hilton & Co. heute gerade nicht tragen, hätte sie in früheren Jahrhunderten zu ehrbaren Bürgerstöchtern gemacht: Nur, wer Unterwäsche trug, war ein leichtes Mädchen.Allen Ernstes: Können wir die neue Generation der «Unten-Ohne-Mädchen» als halt- und sittenlos brandmarken? Immerhin setzen sie nicht ungeschickt historisches Kulturgut zur Verdienststeigerung ein: Die eine von ihnen hat sich ein Vermögen von rund 100 Millionen Dollar ersungen und ihre neue Busenfreundin Paris wird auf rund 10 Millionen Dollar Einkommen jährlich geschätzt. Zudem zeigt die jüngste Geschichte von Foto und Film, dass die Scham nicht einfach schamlos hergezeigt wird. So offenbarte Marilyn Monroe ihre Schönheit im allerersten «Playboy»-Heft. Und auch später geizte sie mit ihren Reizen nicht. Aber eben: nie ohne Scham, nie ohne das Letzte zu verbergen. Nie zeigte sich Marilyn völlig nackt. Das Kino hat zwar jeden Teil ihres Körpers in Szene gesetzt, vor allem ihre Brüste, Hüften, den Bauch und den Po – ganz entblösst hat sie sich nie.Haut zeigen als Karrierehilfe wusste auch Ursula Andress einzusetzen: Sie stieg für James Bond mit kaum mehr als Sonnenbräune aus dem Wasser und in das internationale Filmgeschäft. Als es um «Ursi National» ruhiger wurde, ging sie als Napoleons Joséphine in einem Zuber baden. Obwohl sie (fast) alles zeigte – eine ganz nackte Ursi hat niemand in Erinnerung.Auch Madonna schaffte ihren Durchbruch nicht allein mit ihren gesanglichen Künsten: Sie zog sich 1985 für «Playboy» und «Penthouse» aus, als sie noch braun und stark behaart war. In ihrem Buch «Sex» zeigte sie so ziemlich alles – und doch ist sie keineswegs als schamloses Biest in die Annalen eingegangen; sondern als ein Star, der sich jedes Jahr neu erfindet, wie ein Chamäleon sich Haut und Haut abstreift, ohne wirklich nackt zu sein. Die unsichtbare Grenze zwischen Erotik und Schamlosigkeit hat sie nie überschritten. Ganz im Gegensatz etwa zu Pamela Anderson: Die Baywatch-Nixe wird wie viele andere Sternchen, die ihre Nacktheit allzu durchsichtig einsetzen, nie zum echten Star werden. «Alles, was Gott mir geschenkt hat, gebe ich gerne weiter.» Das sagte Kim Basinger, als sie 1988 im «Playboy» ihre Hüllen fallen liess und damit den Sprung zum Star schaffte – und doch nie ordinär wirkte.Das zelebriert bis heute auch Sharon Stone. Sie erregte sich zwar medienwirksam, dass die Szene in «Basic Instinct», die sie 1991 sliplos zeigt, nie und nimmer von ihr akzeptiert worden war. Nur eben: Vor ihrem Auftritt in dem Erotikthriller war sie die Tochter eines Werkzeugmachers aus Pennsylvania. Für «Basic Instinct 2» zog sie vollends blank und erhielt für die Hauptrolle 14 Millionen Dollar.Die Aufregung um die nackte Scham von Britney Spears und Freundinnen kann sich also in Grenzen halten. Ohne Höschen aus dem Haus, das machen auch Schweizerinnen. Das Pendlermagazin «20 Minuten» führte eine Leserinnen-Befragung durch – und siehe da: Knapp 50 Prozent (49,2) der befragten Frauen gaben an, schon einmal ohne Unterwäsche aus dem Haus gegangen zu sein.Aber nicht nur das, wenn frau kein Höschen trägt, trägt sie auch keine Hose. Satte 79,4 Prozent der Damen, die unten ohne gingen, taten dies in einem Rock.Der Grund dafür? Sie wollten sich schlicht und einfach sexy fühlen (53,7 Prozent). Als weitere Gründe wurden von den Frauen angegeben «Weils einfach bequemer ist» (26,8 Prozent) und «Weil mein Freund danach gefragt hat» (12,4 Prozent).Nicht verschweigen wollen wir die Antwort auf die wohl wichtigste Frage der Männer: Wo ist es am wahrscheinlichsten, Frauen unten ohne anzutreffen? Ganz klar im Ausgang (49 Prozent).Und damit sind wir wieder bei Paris Hilton, Britney Spaears & Co. Die zeigen sich im Schritt auch nur nackt, wenn ihnen auf Schritt und Tritt Fotografen folgen. Und das funktioniert am besten im Ausgang.
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