Verzeihen, verlassen – oder weder noch? Die Seitensprung-Debatte spaltet die Gemüter: Fitnesstrainerin Romy Dollé (47) hat sich von ihrem Mann Dave (49) getrennt, nachdem er ihr gestanden hatte, sie betrogen zu haben. Judith Weber (86) wiederum hat ihrem Mann, Umweltschützer Franz Weber (91), seine Parallel-Liebschaften verziehen. «Keine Frau schaffte es, unsere Ehe zu zerstören. Das war für mich immer auch eine grosse Genugtuung», sagt sie.
Emotionale Treue ist für sie wichtiger als körperliche
Ein anderes Modell, das der offenen Beziehung, lebte lange Zeit die Sexualpädagogin, Autorin und Kabarettistin Barbara Balldini (54). «Körperliche Treue ist eine Illusion für mich und liegt nicht in meinen Genen. Die Wissenschaft weiss mittlerweile, dass wir Menschen von Grund auf nicht monogam veranlagt sind», sagt sie und ergänzt: «Was nützt mir ein Partner, der mit mir Sex hat, dabei aber an andere Frauen, an Pornovorlagen oder seine Sekretärin denkt? Im Bett sollte er ganz bei mir sein und mich wahrnehmen.»
Für Balldini ist soziale und emotionale Treue zudem wichtiger als körperliche. Dabei geht es Balldini in einer offenen Beziehung hauptsächlich darum, sich stets respektvoll zu begegnen und sich gegenseitig zu unterstützen. Ein Partner, der monogam ist, sich aber vor anderen Leuten lustig über sie mache und sich nicht für ihr Leben interessiere, scheint ihr wesentlich untreuer in seinem Verhalten.
Monogamie als Mythos
Dass sie selbst lange nebst ihrem Partner auch mit anderen Männern schlief, erklärt sie so: «Das Leben schenkt viele Begegnungen. Auch solche, bei denen es vor Erotik knistert. Ich habe es immer als Geschenk betrachtet, begehrt zu werden, Monogamie war ein Mythos für mich. Treue findet im Herzen statt und nicht nur im Bett.»
Es sei aber nicht so, dass eine offene Beziehung davor schütze, verletzt zu werden. «Das kann einem immer passieren», so Balldini. «Lügen zum Beispiel verletzen immens. Weil man signalisiert bekommt, mit der Wahrheit nicht umgehen zu können.»
Alles ist eine Frage des Beziehungsdeals
Dass sie ihren Lebenspartner nie anlügen musste, weil er ihr den Freiraum gab, sich sexuell auszuleben, ihm aber auch ihre Affären nicht unter die Nase gerieben hat, erachtet sie als Beziehungs-Errungenschaft. «Und ist wohl der Grund, weshalb wir heute noch zusammen sind.»
Sowohl Romy Dollés Entscheid, sich scheiden zu lassen, wie auch Judith Webers Verzeihen kann Barbara Balldini verstehen. «Letztendlich ist alles eine Frage des Deals, den zwei Menschen miteinander haben. Den sollte man alle sechs Monate darauf hin überprüfen, ob er noch gültig ist.» Das mache auch sie, die zurzeit monogam lebt, jedoch nicht ausschliesst, wieder sexuelle Affären zu haben. «Eine Garantie gibt es ohnehin nie und für nichts. Ich möchte die sein, die ich bin, und mich nicht verbiegen.»