Zürcher Body-Positiv-Bloggerin über Netflix-Film «To the Bone»
«So sieht es im Kopf einer Magersüchtigen aus»

Netflix neustes Werk «To The Bone» sorgt bereits vor der Ausstrahlung für heisse Köpfe. Der Film, der das Thema Magersucht behandelt, soll die Krankheit verherrlichen. Body-Positiv-Botschafterin Morena ist da ganz anderer Meinung.
Publiziert: 07.07.2017 um 16:47 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:32 Uhr
«To The Bone» auf Netflix
2:15
Haupt-Trailer ist da!«To The Bone» auf Netflix
Anna Rall

Zu Feelgood-Musik zählt die magersüchtige Ellen, gespielt von Lily Collins (28), die Kalorien auf ihrem Teller. Heimlich rennt sie die Treppen im Haus hoch und runter und macht im Zimmer Sit-ups. Sie hungert sich bis zu den Knochen, muss in ein Wohnheim für Essgestörte ziehen und scheint nur knapp dem Tod zu entrinnen.

Der Film soll Magersucht verharmlosen

Im Netflix-Film «To the Bone» wird mit einer Prise Ironie die schwere Krankheit Magersucht behandelt. Nach der Erfolgsserie «13 Reasons Why», die das Tabuthema Selbstmord thematisierte, ist es die zweite Eigenproduktion, die für Furore sorgt – das bereits Wochen vor der Ausstrahlung (14. Juli).

Kritiker werfen dem Film vor, Essstörungen zu verherrlichen und Betroffenen als Trigger zu dienen. Aus diesen Gründen wurde auf «change.org» sogar eine Online-Petition gegen die Produktion gestartet. Psychologen sind ausserdem der Meinung, dass vor dem Film ein Warnhinweis auftauchen müsste.

Hervorstehende Knochen als «Thinspiration»

Tatsächlich könnten Nahaufnahmen von Rippen, hervorstehenden Knochen und einer mit blauen Flecken übersäten Wirbelsäule Erkrankten als «Thinspiration» (Inspirationen zum dünn sein) dienen, um noch weiter abzunehmen. Zudem ist die Hauptperson, die als Identifikationsperson dienen soll, clever, schlagfertig und sarkastisch. Locker macht sie Witze über ihre Krankheit und wirkt auf den Zuschauer eher sympathisch.

Netflix jedoch wirbt mit «erfrischend humorvoll und unerschrocken ehrlich». Dieser Meinung sind auch Lily Collins und Regisseurin Marti Nixon (52), die beide in ihrer Jugend selbst an Essstörungen litten. Collins sagte in einem Interview mit «variety.com»: «Wir wollen Betroffenen Mut machen. Man muss sich für seine Vergangenheit nicht schämen.»

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Lily Collins in ihrer Rolle als magersüchtige Ellen.
Foto: Netflix

«Der Film zeigt die Realität»

Der gleichen Meinung ist auch Morena Diaz (24). Die Body-Positiv-Bloggerin alias Morenita aus Zürich rutschte als Jugendliche selbst fast in die Magersucht. Stattdessen erkrankte sie an Binge-Eating (Fressattacken). Heute ist sie genesen und spricht offen über das Thema, um Leidensgenossen zu helfen.

Zu BLICK sagt Morena: «Ich finde es super, dass über das Thema berichtet wird. Der Film zeigt die Realität, zwar die verschönerte, aber so kann junges Publikum erreicht werden. Die rohen, unverschönerten Dokus sprechen Jugendliche leider nicht an.»

Dass der Film Menschen in die Magersucht treiben könnte und die Krankheit verherrlicht, findet die Bloggerin nicht. «Natürlich ist der Film nicht unproblematisch, da die Gefahr der Nachahmung immer besteht.» Doch Erkrankte fänden immer einen Ort, um sich ihre Motivation zu holen: «Wenn es nicht Collins ist, dann ist es jemand anderes.»

Gesunde Menschen werden dadurch nicht beeinflusst

Morena ist sich sicher, dass gesunde Menschen dadurch nicht eine Essstörung entwickeln: «Wir leben in einer Welt, in der wir täglich mit sehr schlanken Models konfrontiert sind. Wenn man sich durch diese nicht beeinflussen lässt, dann auch nicht durch die abgemagerte Lily Collins.»

Gefährlich findet die Botschafterin, dass die Schauspielerin für die Dreharbeiten erneut abnehmen musste. Obwohl Collins von einem Expertenteam unterstützt wurde, weiss Morena: «Die Rückfallquote bei Magersüchtigen ist extrem hoch!» Und auch die Therapie ist für die Bloggerin zu utopisch dargestellt. «Ein schöner Arzt, ein tolles Wohnheim, das ist leider nicht die Realität. In der Schweiz ist es total schwierig, einen Therapieplatz zu bekommen, man wartet teilweise Monate.»

Obwohl die Produktion nicht unproblematisch sei, sieht Morena die positiven Aspekte: «Das Tabu-Thema wird angesprochen, Unwissende werden aufgeklärt und es wird ein Verständnis geschaffen. So sieht es nun mal im Kopf einer Magersüchtigen aus.»

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Anzeichen einer Magersucht

Oft merken Eltern erst zu spät, dass ihr Kind an Magersucht erkrankt ist. Doch es gibt klare Anzeichen für Essstörungen. Jennifer Hofmann (40) ist Leiterin Behandlung der Klinik Wysshölzli. Die Fachklinik kümmert sich um Patientinnen mit Magersucht. Hofmann gibt besorgten Eltern wertvolle Tipps: «In der Regel treten bei einer Magersucht gleich mehrere Anzeichen miteinander auf», sagt die Expertin. «Wenn das gemeinsame Essen vermieden wird, täglicher Sport auf dem Programm steht, ausser dem Sport keine Hobbys mehr stattfinden, tägliches Wiegen erfolgt, sich die Kinder ständig Gedanken um die Kalorienaufnahme machen und das Gefühl haben, zu dick zu sein, sollte man hellhörig werden.» Zudem rät Hofmann, sensibel auf folgende Merkmale zu reagieren. «Wenn die Menstruation ausbleibt oder ihr Kind stark friert, könnte es möglicherweise ebenfalls an Magersucht erkrankt sein», sagt sie. 

Oft merken Eltern erst zu spät, dass ihr Kind an Magersucht erkrankt ist. Doch es gibt klare Anzeichen für Essstörungen. Jennifer Hofmann (40) ist Leiterin Behandlung der Klinik Wysshölzli. Die Fachklinik kümmert sich um Patientinnen mit Magersucht. Hofmann gibt besorgten Eltern wertvolle Tipps: «In der Regel treten bei einer Magersucht gleich mehrere Anzeichen miteinander auf», sagt die Expertin. «Wenn das gemeinsame Essen vermieden wird, täglicher Sport auf dem Programm steht, ausser dem Sport keine Hobbys mehr stattfinden, tägliches Wiegen erfolgt, sich die Kinder ständig Gedanken um die Kalorienaufnahme machen und das Gefühl haben, zu dick zu sein, sollte man hellhörig werden.» Zudem rät Hofmann, sensibel auf folgende Merkmale zu reagieren. «Wenn die Menstruation ausbleibt oder ihr Kind stark friert, könnte es möglicherweise ebenfalls an Magersucht erkrankt sein», sagt sie. 

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