Neuer Netflix-Dokfilm «Casting JonBenét»
«Wisst ihr, wer sie umgebracht hat?»

Der Mord an der sechsjährigen JonBenét Ramsey beschäftigt die Welt seit mehr als zwanzig Jahren. Die neue Netflix-Dokumentation «Casting JonBenét» erzählt die tragische Geschichte der kleinen Schönheitskönigin aus einem neuen Blickwinkel.
Publiziert: 10.05.2017 um 22:15 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:51 Uhr
Vanja Kadic

«Mein Name ist Hannah, und ich bewerbe mich für die Rolle der JonBenét Ramsey. Wisst ihr, wer sie umgebracht hat?», fragt die Kinderschauspielerin in der neuen Netflix-Doku «Casting JonBenét» unschuldig in die Kamera. Das Mädchen trägt Lippenstift und ein Glitzerkleid mit Puffärmeln in den Farben der amerikanischen Flagge. Eines, wie es auch JonBenét Ramsey an einem ihrer vielen Schönheitswettbewerbe trug. 

«Wisst ihr, wer sie umgebracht hat?», fragt die Kinderschauspielerin Hannah im neuen Netflix-Dokfilm «Casting JonBenét».
Foto: Netflix

JonBenét ist sechs Jahre alt, als sie an Weihnachten 1996 im Haus ihrer Familie in Boulder (US-Bundesstaat Colorado) erdrosselt wird. Frühmorgens findet ihre Mutter Patsy Ramsey im Treppenhaus des Einfamilienhauses einen dreiseitigen Erpresserbrief, in dem sich eine Gruppe Unbekannter dazu bekennt, JonBenét entführt zu haben. Als wenig später die Polizei eintrifft, durchsuchen die Ramseys einmal mehr ihr Haus. Im Keller findet John Ramsey schliesslich die Leiche seiner Tochter – zugedeckt mit ihrer liebsten Kuscheldecke. Sie trägt eine Schlinge um den Hals, ihr Schädel wurde eingeschlagen. 

Wurde sie Opfer eines Kinderporno-Rings?

Wer die kleine Schönheitskönigin umgebracht hat, bleibt ein Rätsel, das die Welt bis heute beschäftigt. Über kaum einen anderen Kriminalfall gab es so viele Spekulationen. Dass das Mädchen, wie von den Eltern behauptet, von einer Gruppe Unbekannter entführt wurde, ist oft angezweifelt worden: Patsy Ramsey selbst soll den Entführerbrief geschrieben haben, um die Wahrheit zu vertuschen. 

Drehte Mutter Patsy durch, weil ihre Tochter einmal mehr ins Bett genässt hatte? Oder weil sie als ehemalige Schönheitskönigin eifersüchtig auf die Karriere ihrer hübschen Tochter war? Tötete sie Bruder Burke, damals neun Jahre alt, im Affekt, indem er mit einer Taschenlampe auf ihren Kopf einschlug? Verschaffte sich ein Pädophiler Zugang zur Villa der Ramseys? Wurde JonBenét zum Opfer eines Kinderporno-Rings? Oder wurde sie von ihrem eigenen Vater missbraucht und getötet?

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Schauspielerin Aspen Rader bewirbt sich um die Rolle der Patsy – und spielt die Szene nach, in der sie die Notfallnummer anruft.
Foto: Netflix

Der Fall wird von Schauspielern im Casting-Prozess erzählt

In den vergangenen zwanzig Jahren wurde die tragische Geschichte in unzähligen Dokumentationen erzählt. Den Machern der Netflix-Doku «Casting JonBenét» gelingt es, den Fall aus einer neuen Perspektive zu beleuchten – ohne dabei auch nur einmal JonBenéts Gesicht oder jene ihrer Familie zu zeigen. Stattdessen lässt Regisseurin Kitty Green Schauspieler aus JonBenéts Heimatstadt Boulder um die Rollen der Verfilmung des Falls buhlen. Im Casting-Prozess äussern diese ihre ganz persönlichen Sichtweisen zum Kriminalfall, der in den Neunzigerjahren Amerika erschütterte. Dabei wirds mal berührend, mal schmerzhaft bizarr.

«Casting JonBenét» überzeugt mit origineller Erzählweise

Neue Ermittlungserkenntnisse bringt die Dokumentation nicht. Vielmehr überzeugt «Casting JonBenét» mit seiner originellen Erzählweise. Gespenstisch und intim ist etwa die Szene, in der die Bewerber für die Rolle von John Ramsey spielen, wie sie die Leiche von JonBenét im dunklen Keller des nachgebauten Ramsey-Haushalts finden. Wie absurd die Spekulationen um den Mord teilweise waren, zeigt die Szene mit einer Schauspielerin, die sich sicher ist, dass Patsy Ramsey ihre Tochter umgebracht hat – und deshalb 2006 an Eierstockkrebs starb: «Ich glaube, dass es eine Verbindung zwischen Körper und Geist gibt. Du bringst deine Tochter um – und sie kommt aus deinen Eierstöcken und deinem Uterus. Und Patsy starb an Eierstockkrebs. Das will ich nur mal sagen.»

Auch die Netflix-Macher wissen nicht, wer sie tötete

«Casting JonBenét» macht deutlich, wie sehr sich JonBenéts Fall durch den ungeheuren Medienzirkus, die Spekulationen und die vielen Ungereimtheiten in das kollektive Gedächtnis und die Popkultur gebrannt hat. Wer hat JonBenét getötet? Auch die Netflix-Macher wissen es nicht. Aber sie zeigen, dass es irgendwie doch jeder weiss. 

«Casting JonBenét» ist ab sofort bei Netflix zu sehen.

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