Bei Netflix's «The Circle» ziehen acht Kandidaten, die sich noch nie gesehen haben, gemeinsam in ein Haus ein. Die Frauen und Männer, meist Mitte 20, schliessen Freundschaften, intrigieren gegeneinander und müssen sich täglich neuen Spielen und Herausforderungen stellen. Dabei werden sie rund um die Uhr von Kameras gefilmt. Das klingt eigentlich wie ein müder «Big Brother»-Abklatsch.
Aber «The Circle» hebt sich durch eine Besonderheit von der Masse an einfallslosen Reality-TV-Programmen ab: Die Teilnehmer treffen sich nie persönlich. Stattdessen kommunizieren sie nur durch ein Chat-Programm, das der Sendung auch ihren Namen gibt. Durch das Social-Media-Programm «The Circle» können die Teilnehmer Bilder posten, ihren Status ändern und sich kennenlernen. Nach jedem Tag müssen sie danach ihre «Circle»-Kollegen nach Beliebtheit aufreihen. Wer die wenigsten Stimmen bekommt hat seine Chance auf 100'000 Dollar vertan.
Muskelmann gibt sich als zierliches Mädchen aus
Der Haken des Systems liegt auf der Hand. Dadurch dass «The Circle» nur durch Chats und einzelne Fotos funktioniert, können die Teilnehmer ohne Probleme in andere Rollen schlüpfen. So gibt sich ein muskulöser Sozialarbeiter als seine zierliche Freundin aus, eine übergewichtige Social-Media-Managerin verwendet die Bilder einer Model-Kollegin oder ein pummeliger Nerd spielt einen Macho mit Sixpack. Bei ihren Beliebtheit-Ratings wissen die «Circle»-Bewohner nie, wer wirklich hinter den Bildern steckt.
«The Circle» ist all das, was gutes Reality-TV sein muss: spannend, lustig, verspielt – und etwas dämlich. Die Sendung macht dabei besonders durch den tollen Mix an Bewohnern Spass. Die sind so verschieden, wie sie sympathisch sind.
Die ehrlichen Kandidaten sind die Stars
Überraschend ist, dass die eigentlichen Stars der Sendung keineswegs die Betrüger sind. Auch wenn es Spass macht zu sehen, wie ein falsches Männermodel mit einem echten Muskelmann flirtet, weil er denkt, der sei eine süsse Studentin: Man schaut doch lieber den Kandidaten zu, die sich selbst spielen.
Bei Proll Joey (25) entdeckt man ein Herz aus Gold, der schüchterne Shubham (23) kann mit seiner ehrlichen Art punkten, die schillernde Persönlichkeit von Chris (30) explodiert praktisch aus dem Bildschirm. Da sie sich selbst bleiben, können sie durch «The Circle» tatsächlich echte Beziehungen zu ihren Mitspielern aufbauen.
Jedenfalls in den ersten fünf Folgen. Denn mit der Zeit fallen die Kandidaten so sehr in ihre Verhaltensmuster, dass auch die bodenständigsten von ihnen eine Rolle spielen. Langweilig ist «The Circle» deswegen aber noch lange nicht. Und so kann die Sendung neben all der Unterhaltung geschickt noch etwas Sozialkritik hinzufügen. Beziehungen funktionieren eben im echten Leben doch am besten – und nicht am Bildschirm. (klm)