Es soll schon regelrechten Beziehungsknatsch gegeben haben, weil ER per Knopfdruck das Intro übersprang, das SIE sich zum gefühlt hundertsten Mal genüsslich anschauen wollte. Die Möglichkeit, das Intro – auch Titelsequenz genannt – zu Beginn jeder Folge einer Serie überspringen zu können, ist für viele Streamer eine Herausforderung.
Natürlich kann man sagen: Zeitverschwendung! Was kratzt mich dieses Vorgeplänkel? Ich will schnell zur Sache kommen. Damit wäre die Diskussion beendet. Doch so einfach ist es nicht. Zum Glück.
Einige Serien haben wahre Kunstwerke als Eröffnungssequenz. Und nicht wenige erzählen eine eigene, von der Serie abgekoppelte Geschichte. Man nehme zum Beispiel «Desperate Housewives». Hier wurden berühmte Gemälde aus verschiedenen Epochen abgeändert, indem man stets die Frau und ihre Nöte abbildete – von Dürers (1471 - 1528) «Adam und Eva» über Jan van Eycks (1390 - 1441) «Arnolfini-Hochzeit» bis hin zu Andy Warhols (1928 - 1987) «Campbell’s Soup Cans».
Ebenfalls sehenswert ist das Intro der Netflixserie «The Politician». Da wird ein hölzerner Setzkasten mit Gegenständen (Orden, Spielkarten, Pillen, halbe Zwiebel) gefüllt. Zum Schluss kommt ein Deckel drauf, der Kasten wird geschliffen, bemalt – und entpuppt sich als Hauptfigur der Serie, Payton Hobart (Ben Platt, 27).
Auch im «Orange Is the New Black»-Intro steckt eine Geschichte: Hier werden Augen- und Lippenpartien echter Gefängnisinsassinnen (nicht etwa von Schauspielerinnen) gezeigt. Untermalt von Regina Spektors (41) Ohrwurm «You’ve Got Time» ist dieses Intro eines, das man sich immer wieder gerne ansieht.
Die Musik ist oft matchentscheidend, wenn es darum geht, ein Intro zu schauen oder nicht. Wer kriegt bei den «Peaky Blinders» (Netflix) bitteschön keine Gänsehaut, wenn die Glocke zu Nick Caves (63) «Red Right Hand» zum ersten Mal schlägt?
Im Idealfall bietet ein Intro ästhetische, fesselnde Bilder und dazu Musik, die berührt. Besonders gelungen ist das beim Spiegelbild-Intro von «Dark» (Netflix), begleitet von Apparats «Goodbye».
Auch «Versailles» (Sky Show) ist ein Augen- und vor allem Ohrenschmaus – der Band M83 sei Dank.
Unvergessen und gerne immer wieder geschaut sind die Intros von «True Detective» – besonders jenes der 1. Staffel.
Praktisch unüberspringbar sind Intros, die sich stets verändern. So gesehen bei den «Simpsons» (Disney+), wo sich die Familie am Ende jeder Titelsequenz beim sogenannten Couch-Gag auf dem Sofa versammelt – jedes Mal anders.
Platz 1 in dieser Kategorie gehört aber klar «Game of Thrones» (Sky Show). Auf dem dreidimensionalen Kartenmodell sieht man die Kontinente Westeros und Essos. Im Intro werden jene Orte gezeigt, an denen die Handlung in der jeweiligen Folge spielt. Die Musik von Ramin Djawadi (46) setzt dem Ganzen die Krone auf.
Intro schauen lohnt sich nicht immer
Soll man sich also einfach jedes Mal das Intro in ganzer Länge reinziehen? Natürlich nicht.
Denn es gibt auch hervorragende Serien, deren Intros enttäuschend sind und die man getrost links liegen lassen kann.
Dazu gehört «House of Cards» (Netflix). Zugegeben: Die Zeitrafferbilder von Washington, D. C. sind durchaus ästhetisch. Aber die Musik ist leider nur Durchschnitt und das Intro mit 1 Minute und 28 Sekunden mehr als zu lang. Dasselbe gilt für «Homeland». Und auch das Intro von «The Crown» wirkt mit über einer Minute eher einschläfernd. Da reicht einmal schauen.
Je nachdem, findet SIE, soll ER sich’s also künftig lieber zweimal überlegen, den Knopf zu drücken.
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